Enttäuschung über Ampel-Koalition Unternehmer: Warme Worte gibt es nur für Habeck, FDP verliert deutlich

Quelle: imago images

Probezeit nicht bestanden? Nach sechs Monaten sind Wirtschaftsvertreter zunehmend unzufrieden mit der Regierung, wie eine neue Umfrage zeigt. Zu den großen Verlierern gehört die FDP mit Finanzminister Christian Lindner.

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Es klingt so gut auf den 144 Seiten: Anreize für private Investitionen setzen, Raum für unternehmerisches Wagnis schaffen, „insbesondere“ den Selbstständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern durch Bürokratieabbau mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben ermöglichen – so hat es sich die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen. Doch sechs Monate nach der Amtsübernahme wächst bei Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern offensichtlich der Frust. Vor allem die Liberalen gehören dabei zu den Verlierern.

Das zeigen nicht nur die desaströsen Ergebnisse bei den jüngsten Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, sondern auch eine aktuelle Umfrage des CDU-Wirtschaftsrats. 1400 Unternehmerinnen und Unternehmer sind dafür befragt worden, unter anderem dazu, welcher Partei sie die größte Wirtschaftskompetenz zutrauen.

Frust über den Finanzminister

Zwar liegt die FDP hier noch immer vorn mit 69 Prozent, doch hat sie im Vergleich zum Jahr vor der Wahl mit 13 Prozentpunkten so viel an Zustimmung eingebüßt wie keine andere Partei – der Frust über die Arbeit unter FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner ist offensichtlich groß.

Zu den großen Gewinnern zählen hingegen die Grünen. Sie legten um 17 Prozentpunkte zu und landete mit 25 Prozent auf dem dritten Platz unter den Parteien mit der größten wahrgenommenen Wirtschaftskompetenz. Auf Platz zwei kommt die Union, die jedoch in der Opposition nur lediglich minimal zulegt. Unter dem neuen Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz wird ihr von 67 Prozent der Befragten eine „sehr gute“ bis „gute“ Wirtschaftskompetenz zugesprochen.     



„Schmerzhaft“, nennt Astrid Hamker, Unternehmerin und Präsidentin des Wirtschaftsrats, das Ergebnis für die Liberalen. Nur die Grünen hätten als einzige Koalitionspartei „in dieser Schlüsselkompetenz Boden gut machen können.“

„Massiver Vertrauensverlust“ unter den Unternehmern

Insgesamt spricht Hamker von einem „massiven Vertrauensverlust“ der Unternehmer gegenüber der Politik der Ampel-Koalition. Auf fast allen Politikfelder sei die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung groß, wie die Umfrage des CDU-Verbands durch das Meinungsforschungsinstitut INSA zeige.

Insbesondere bei den relevanten Standortfaktoren sei Deutschland auf den letzten Tabellenplätzen angekommen. Dazu gehörten die Steuerpolitik, die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik sowie die Digitalisierung. „Im Fußball würde man von einem Abstiegsplatz sprechen“, so Astrid Hamker. „Das erfüllt mich mit großer Sorge, denn hier geht es um das Vertrauen in die Zukunftssicherheit des Industriestandortes Deutschland. Hier sollten bei der Regierungskoalition alle Warnleuchten auf ‚rot‘ schalten!“

Mit der Arbeitsmarktpolitik sind demnach nur 32 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“, das ist ein Minus von 28 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Noch schlechter sieht es in der Haushalt- und Steuerpolitik unter Finanzminister Linder aus, hier sind nur 21 Prozent beziehungsweise 19 Prozent mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden. Am schlechtesten schneidet die Verkehrs- und Digitalpolitik unter FDP-Minister Volker Wissing ab, die nur 15 Prozent beziehungsweise 12 Prozent. der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer gut bis sehr gut finden.   

Ein „Chapeau“ fürs Habecks Leistung

Der Wirtschaftsrat fordert von der Ampel-Koalition „ein spürbares Umsteuern in der Wirtschaftspolitik“, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern und auf einen stabilen Wachstumskurs zu kommen. „Der bürokratische Mehltau ist unerträglich für eine Industrienation, die in der ersten Liga mitspielen will“, mahnt Hamker. Es passe nicht, in der politischen Großwetterlage über eine „Zeitenwende“ zu reden und als Bundesregierung gleichzeitig im Kleinklein weiter wie bisher zu „wurschteln“.

Warme Worte findet sie nur für den energiepolitischen Wumms von Robert Habeck. „Chapeau, auch wenn die Grünen hier noch über weitere Schatten springen müssen – sie sind in der Realpolitik angekommen“, lobt Hamker – mahnt jedoch ein ähnliches Tempo auch für den Bürokratieabbau an.  

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Während der Bau neuer LNG-Terminals offenbar nach nur wenigen Wochen gestartet werden könne, würde sie sich fragen, warum es nicht auch für Bürger und Unternehmen schneller gehe. Doch zur „Entfesselung der Wachstumskräfte“ müsse ohnehin mehr als Bürokratieabbau passieren. „Auch der Stillstand in der Steuerpolitik muss aufgelöst werden“, fordert Hamker: „Eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle ist überfällig, zudem brauchen wir weitere Schritte zu einer Senkung der Unternehmenssteuern.“  

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Ende Mai will sie unter anderem mit Lindner und Habeck persönlich bei der Wirtschaftskonferenz des Wirtschaftsrats über Werte, Wachstum und Wettbewerb diskutieren – den gewünschten Wumms wird der Finanzminister dann allerdings kaum versprechen können.

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