Entwicklungshilfe Bundesregierung hofft auf Afrikas neue Freihandelszone

Wenn die Afrikaner ihre Zölle untereinander abbauen, könnte sie endlich wirtschaftlich aufholen. Europa hätte dann ein Problem weniger.

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Die deutsche Entwicklungshilfe fördert vor allem die afrikanische Privatwirtschaft. Quelle: dpa

Berlin Die Bundesregierung setzt darauf, dass die neue Freihandelszone der Afrikanischen Union ein Erfolg wird. „Wenn die Staaten Afrikas ihre Zollschranken untereinander abbauen, dann entsteht ein riesiger Markt mit 1,2 Milliarden Einwohnern. Der wäre auch attraktiv für Investitionen aus Europa“, sagte Günter Nooke, Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, dem Handelsblatt. Bisher allerdings ist die Handelspolitik der 54 afrikanischen Staaten einseitig auf Lieferungen nach Europa ausgerichtet.

Nooke begründete seine Hoffnung damit, dass die Afrikanische Union in kurzer Zeit und mit eigenem Geld den Vertrag über die „Continental Free Trade Area“ (CFTA) ausverhandelt hat: Von der Ankündigung bis zur Vertragsunterzeichnung am 21. März in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, habe es nur wenig mehr als ein Jahr gedauert. Der Vertrag verspricht, die zum Teil hohen Zölle der Staaten untereinander abzubauen und Importquoten zu beseitigen. Entstehen soll ein afrikanischer Binnenmarkt.

Mit diesem afrikanischen Binnenmarkt sollte die EU dann auch ein neues Handelsabkommen schließen, forderte Nooke. Denn der bisher verfolgte Weg über die Europäischen Partnerschaftsabkommen (EPA), die für afrikanische Güter den Marktzugang nach Europa ermöglichen sollen, sei gescheitert. „Die EPAs sind tot“, sagte Nooke.

Seit 2002 gibt es EPA-Verhandlungen zwischen einzelnen afrikanischen Staaten und der EU. Sie haben zum Ziel, dass die EU ihren Markt sofort für Güter aus Afrika öffnet, der jeweilige afrikanische Staat seine Zollschranken aber erst nach und nach senkt, um seinen Markt zunächst vor den wettbewerbsfähigeren europäischen Gütern schützen zu können. Die EU-Kommission setzt bisher weiter auf diesen Weg.

Nooke äußerte aber Verständnis für die Zurückhaltung vieler afrikanischer Staaten, ein EPA zu unterzeichnen:. Denn dass sie ihren Markt in wenigen Jahren zu 80 Prozent öffnen sollen, sei für sie ein Risiko.

Wenn es den Afrikanischen Staaten aber gelänge, eine eigene Freihandelszone zu etablieren, dann könnte zunächst der Handel untereinander in Gang kommen. Und wenn deutsche und andere EU-Firmen in einem Land investierten, hätten sie automatisch den Zugang zum ganzen Kontinent. Der Traum: Es entsteht Produktion auf dem Nachbarkontinent, dadurch endlich Wirtschaftswachstum und Jobs – und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte ihr Ziel, die Fluchtursachen zu bekämpfen erreicht: eine Auswanderung nach Europa wäre weniger attraktiv.

Auf dem Weg zur Umsetzung dieses Traums vom Wohlstand durch Freihandel türmen sich allerdings etliche Hindernisse auf. Das erste ist die tatsächliche Umsetzung der CFTA: 44 Staaten haben den Vertrag unterschrieben – nur unter den zehn Nichtunterzeichnern sind ausgerechnet Südafrika und Nigeria, die größten und wirtschaftlich stärksten Staaten südlich der Sahara. Wann – und ob überhaupt – sie beitreten, ist offen.

Nicht im Einklang mit der Freihandelszone Afrika, die Freizügigkeit für Personen, Waren und Dienstleistungen garantieren soll, ist auch die Sicherheitspartnerschaft mit der Gruppe der fünf Sahelstaaten Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad: Diese Staaten wollen ihre nationalen Grenzen erst einmal sichern – um das Einsickern islamistischer Milizen aus Libyen zu verhindern.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte denn auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz gemahnt, dass die Europäer vor allem viel genauer hinschauen müssten, was wirklich passiert auf dem Nachbarkontinent. Im Südsudan und Somalia, genauso wie im zerfallenen Staat Libyen, sieht er „Kriegspotenzial“.

Seit die Kanzlerin im Jahr 2016 die Fluchtursachen-Bekämpfung zur Querschnittsaufgabe für Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium erklärt hat, setzt auch Müller darauf, im Schulterschluss mit der deutschen Wirtschaft Ausbildung- und Arbeitsplätze auf dem Nachbarkontinent zu schaffen. „Afrika ist ein Chancenkontinent, die Chinesen haben das begriffen und investieren“, so Müller. Während der G20-Präsidentschaft unterzeichneten G20-Staaten dauerhafte Partnerschaftsabkommen mit einzelnen Afrikanischen Staaten.

Die deutsche Entwicklungshilfe richtete Müller mit seinem „Marshallplan mit Afrika“ auf die Förderung der privaten Wirtschaft aus. Die großen Wirtschaftsverbände in Deutschland zeigen seit 2016 erstmals ernsthaftes Interesse an Afrika. Es komme jetzt auf die Umsetzung der neuen Strategien an, mahnt allerdings der Industrieverband BDI: Viel helfen würde es, wenn die Hermes-Exportversicherungen für Afrika-Investitionen attraktiver gestaltet würden.

Bisher jedenfalls findet die wirtschaftliche Fluchtursachenbekämpfung erst im Kleinen statt: Siemens, begleitet vom Entwicklungsministerium, schafft 5.000 Ausbildungsplätze in Ägypten. Beim Wiederaufbau des Iraks im Nahen Osten zeigen deutsche Firmen Interesse, ebenso in Marokko, etwa am Energiesektor. Gemeinsam mit dem neuen Innenminister Horst Seehofer (CSU) will Müller zudem ein „Programm Heimat“ starten: Flüchtlinge sollen nicht in Handschellen abgeschoben, sondern mit Jobangeboten zur Rückkehr motiviert werden.

Nooke erwartet vom „Programm Heimat“ allerdings wenig. Das Ziel müsse sein, in Afrika die Privatwirtschaft zu fördern und die Staaten zu motivieren, die Außengrenzen zur EU zu sichern – damit illegale Wirtschaftsmigration nicht mehr stattfindet.

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