Erdogan vs. Gülen-Bewegung Trittin ruft Nato zum Handeln gegen die Türkei auf

Die Folgen des gescheiterten Türkei-Putsches erreichen Deutschland. In Baden-Württemberg soll Ankara versucht haben, Einfluss auf deutsche Behörden zu nehmen. Die Grünen fordern harte Konsequenzen.

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Ex-Bundestagfraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin: Scharfe Kritik an der Türkei. Quelle: dpa

Berlin Der Außenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, hat die Forderung der türkischen Regierung an Deutschland, Anhänger der Gülen-Bewegung auszuliefern, scharf kritisiert und Konsequenzen gefordert. Die „leisetreterische Mahnung“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an die Türkei nach Verhältnismäßigkeit „reicht angesichts der Kaltschnäuzigkeit, mit der Erdogan vorgeht, nicht aus“, sagte Trittin dem Handelsblatt. „Sie muss klar machen, dass wir an diese Türkei nicht ausliefern werden.“

Trittin kritisierte überdies die nachsichtige Haltung der Nato gegenüber dem Mitglied Türkei, die er als „unhaltbar“ bezeichnete. „Die Nato-Staaten müssen klar Stellung beziehen“, sagte der ehemalige Grünen-Fraktionschef. Die Nato wolle Wertegemeinschaft sein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan trete die Rechtsstaatlichkeit aber mit Füßen. „Dazu darf die Nato nicht länger opportunistisch schweigen.“

Nach dem „dilettantischen“ Putschversuch in der Türkei habe Erdogan das Land „in atemberaubender Geschwindigkeit autokratisiert“, sagte Trittin weiter. Auf den Putschversuch drohe der „coup d'état“ (Staatsstreich) zu folgen. Und: „In seiner Hexenjagd auf Regierungsgegner will Erdogan sein Jagdrevier auf Deutschland ausdehnen“, so Trittin. Das sei unerträglich. „Die dreiste Forderung nach Verfolgung und Auslieferung von vermeintlichen Gülen-Anhängern zeigt, dass er keinen Respekt vor dem Rechtsstaat hat, auch nicht vor dem deutschen.“ Deutschland liefere aber nur an Rechtsstaaten aus. „Und auch nur dann, wenn es sich um Delikte handelt, die nach deutschem Recht strafbar sind“, betonte der Grünen-Politiker.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte zuvor der Türkei vorgeworfen, in unzulässiger Weise Einfluss auf deutsche Behörden nehmen zu wollen. Man habe seine Landesregierung zur Überprüfung von Einrichtungen aufgefordert, die nach Meinung Ankaras von der Gülen-Bewegung betrieben werden, sagte der Grünen-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Dies habe ihn in höchstem Maße befremdet.

Hier sollten Leute auf irgendeinen Verdacht hin grundlos verfolgt und diskriminiert werden. Dies werde selbstverständlich nicht geschehen, betonte Kretschmann. Auch seien ihm keinerlei Belege für die Behauptung bekannt, dass die Gülen-Bewegung für den Putsch in der Türkei verantwortlich sei.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte dem Fernsehsender CNN Türk, bei den Personen, die ausgeliefert werden sollen handele sich um einige Richter und Staatsanwälte, die sich derzeit in der Bundesrepublik aufhielten.

Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Gülen für den Putschversuch vor knapp zwei Wochen verantwortlich. Seither wurden nach offiziellen Angaben rund 16.000 Menschen festgenommen, viele Radio-Stationen, Fernsehsender und Nachrichtenagenturen wurden geschlossen. Die Europäische Union nannte das Vorgehen der türkischen Behörden besorgniserregend.

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