Als der erste Tesla mit der Kennung „GIGA 001“ um die Kurve fährt, schießen Feuerschwaden in die Höhe. Wie vor einem Basketballspiel, wenn die Spieler einlaufen, zündet das Feuerwerk, wenn die Neuwagen aus der Halle in Grünheide rollen. Für Tesla ist der „Delivery Day“ am Dienstag ein Grund zur Freude, entsprechend feierlich zelebriert das US-Unternehmen die Übergabe der ersten Model Y, dem Elektro-SUV aus dem neuen Werk im Brandenburgischen. CEO Elon Musk hat Anzug und Krawatte angelegt und übergibt die Wagen persönlich an ihre Käufer, inklusive kleiner Plauderei.
„Dankeschön für alles, Brandenburg, Grünheide, Deutschland“, sagt Musk auf Deutsch. Er dürfte erleichtert sein. Es war nicht immer einfach zwischen deutschen Verwaltungszwängen und kalifornischem Visionärsdrang. Das betont auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Beide Seiten hätten sich erst einmal an die unterschiedlichen Geschwindigkeiten gewöhnen müssen.
Woidke redet als Erster in der riesigen Produktionshalle, in der sich Hunderte Teslaner in gelben Warnwesten versammelt haben. Die ersten 30 Model Y aus Grünheide stehen in einer Reihe hinter ihm. Elektromusik schallt durchs Gebäude, der Leiter der Fahrzeugfertigung hatte zur Begrüßung gesagt, der Ukrainekrieg werfe „wirklich einen großen Schatten“ auf die Veranstaltung – während eine Drohne über ihn hinwegtost und das Spektakel filmt.
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861 Tage habe es bis zur Eröffnung gedauert, sagt der Landeschef und lobt die politischen Ebenen für diese Leistung: von seinen Ministern bis zum Grünheider Bürgermeister. Musks unbändiger Gestaltungswille hat sie gepusht. Tesla hatte oberste Priorität in der Gemeinde, im Kreis Oder-Spree – und in Potsdam. Doch wie groß die politische Dimension des Events ist, wird an zwei anderen Gästen deutlich: Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz. Sie sind es, die für das ganze Land die Transformation der Energiewirtschaft organisieren müssen. Und der Krieg in der Ukraine und der Bruch mit Russland geben ihnen noch weniger Zeit für diese Generationenaufgabe. 1000 Kilometer von Grünheide entfernt zerbombt der Energieexporteur Nummer eins für Europa, Russland, sein Nachbarland.
Eine Stunde vor dem Auto-Feuerwerk läuft draußen am Grünheider Werkstor „Money, money, money in a rich man’s world“ – eine Bühne für Livemusik ist aufgebaut, Sonnenliegen, ein Coffee Bike, eine Eisbude, in Weiß gehüllte Stehtische. Später soll hier eine Party steigen. Doch Robert Habeck erscheint mit ernster Miene vor den Kameras: Dies sei ein „besonderer Tag für die Mobilitätswende in Deutschland“, er könnte auch sagen: Er hat ihn dringend gebraucht, kommt wie gerufen für den Bundeswirtschaftsminister. Zumindest als Signal, „weg von Öl und Gas“ zu kommen, wie er sagt.
In einer Zeit „mit so viel Kummer“ brauche es wieder Mut und die Kraft, Dinge, die man für richtig halte, mit voller Überzeugung umzusetzen. Dafür müsse man dann auch mal „das politische und finanzielle Risiko tragen“. Habeck sagt wohl bewusst nicht, dass die Welt mehr Elon Musks brauche, aber ein bisschen mehr vom Schlage Musks „kann nicht schaden“. Habeck hat angeblich wenig Zeit, vier Fragen, dann zieht er weiter.
Der Minister und sein Chef mussten sich nicht mit dem Klein-Klein des Genehmigungsverfahrens, mit Wasserfragen oder Tierschützern herumschlagen, sie verbuchen jetzt etwas vom Glanz des Endergebnisses auf ihrem politischen Kreditbuch. Die Ansiedlung stelle im östlichen und südlichen Brandenburg etwa einen „immensen Booster“ für den Arbeitsmarkt dar, sagt eine Pressesprecherin der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder) auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Der niedrigste Einstiegslohn liegt ihr zufolge bei 2700 Euro. Auch Tesla-Zuliefererfirmen haben sich längst an der Strahlkraft des US-Unternehmens orientiert – und sind hergekommen. Eine von drei Ausbaustufen ist nun beendet. Die IHK Ostbrandenburg hält die von Tesla für die letzte Stufe genannte Zahl von 40.000 Mitarbeiter im und am Werk für realistisch, „wenn Zulieferer und Subunternehmer in der Region mitgezählt werden“.
Aktuell arbeiten 3000 Menschen in der neuen Gigafactory. Viele von ihnen hören am Dienstagnachmittag den Kanzler sagen, „Dinge, die wir jetzt schon können“, würden den Wohlstand in Zukunft nicht mehr sichern. Die Industrie müsse sich weiterentwickeln – und sich ein Beispiel an Tesla nehmen. Scholz‘ Rede schallt am lautesten durch die Halle, so, als wolle er besonders eindringlich rüberkommen. Zum wiederholten Male verspricht er, „alle gesetzlichen Weichen“ zu stellen, um 2025 klimaneutral zu sein. Draußen protestieren Demonstranten gegen ausufernden Kapitalismus und Umweltzerstörung. Scholz sagt: „Wir brauchen globalen Wettbewerb und keine Deglobalisierung.“ Die Abkopplung von Wirtschaftsräumen sei nicht der richtige Weg.
Glaubt man Elon Musk, sichern vier Dinge die Transformation: Solar- und Windenergie, Speichermöglichkeiten sowie, na klar, Elektro-Autos. Es sei noch nicht zu spät, das Problem zu lösen. „Ihr könnt Hoffnung haben“, ruft er.
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