Erster GroKo-Haushalt „Enormer Investitionsstau“ – so reagieren Minister und Opposition auf Scholz' Haushaltsentwurf

Der erste GroKo-Haushalt sorgt für mächtig Zündstoff – in und außerhalb der Regierung. Finanzminister Scholz gibt sich selbstbewusst, doch der Streit dürfte anhalten.

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Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, präsentiert bei einer Pressekonferenz den Haushalt 2018, die Eckwerte 2019 und den Finanzplan bis 2022. Quelle: dpa

Berlin Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen ersten Haushaltsentwurf gegen massive Kritik von Unions-Ministern verteidigt. Für Verteidigung und Entwicklungshilfe seien deutlich mehr Mittel vorgesehen als noch von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU), sagte Scholz am Mittwoch in Berlin.

Insgesamt wolle die Bundesregierung keine neuen Schulden machen und strebe eine „sozial gerechte und zukunftsweisende Politik“ an. Scholz betonte die Bedeutung einer soliden Finanzpolitik. Die „schwarze Null“ werde gehalten. Der Bund will also nicht mehr ausgeben als er einnimmt.

Am Morgen hatte das Bundeskabinett Scholz' Haushaltsentwurf für 2018 verabschiedet. Auf dieser Grundlage des Haushaltsentwurfs verhandelt der Bundestag über das Budget. Anfang Juli sollen die Abgeordneten entscheiden.

Auch Eckwerte für den Bundeshaushalt des kommenden Jahres und den Finanzplan bis 2022 wurden vom Kabinett angenommen – allerdings unter Protest von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), die beide höhere Mittel für ihre Etats in den nächsten Jahren fordern.

Scholz sieht zwar sowohl beim Verteidigungs- wie beim Entwicklungsetat eine Aufstockung der Mittel vor. Deutschland dürfte aber den Planungen zufolge zwei international vereinbarte Zielmarken verfehlen.

Müller sagte, zwar sei er zufrieden mit dem Haushaltsentwurf für 2018. „Wo ich noch nicht zufrieden bin und wo erheblicher Nachholbedarf jetzt im Haushaltsverfahren besteht, ist der Eckwert für den Haushalt 2019.“ Das Angebot von Scholz sei nicht ausreichend.

„Demnach würde der Etat für das Entwicklungsministerium um 150 Millionen absinken“, sagte Müller. „Damit können wir den Anforderungen an uns in der Welt nicht genügen und damit würde auch die ODA-Quote, entgegen der Festlegung im Koalitionsvertrag, sinken.“

Deutschland hat sich bereits 1972 dem Ziel der Vereinten Nationen verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Die sogenannte ODA-Quote werde laut Müller nach aktuellem Finanzplan 2019 auf 0,47 Prozent abrutschen. Müller sprach von einer „ODA-Lücke“ von 1,1 Milliarden Euro für das Jahr 2019. Er erwarte, dass diese Lücke noch geschlossen werde.

Auch an den geplanten Geldern für Verteidigung gibt es massive Kritik. Scholz sagte, „im Rahmen unserer Möglichkeiten“ sollten auch die Verteidigungsausgaben steigen. Für das laufende Jahr sind 38,5 Milliarden Euro vorgesehen, für das kommende 41,5 Milliarden Euro. „Im Vergleich zu früheren Jahren kommt es zu erheblichen Steigerungen.“ Es handle sich um eine „massive Verbesserung“.

Das Verteidigungsministerium aber sieht Nachbesserungsbedarf. Falls die Mittel nicht aufgestockt würden, müsse ein internationales Rüstungsprojekt vertagt werden.

Nach jetzigem Finanzplan sinke die Nato-Quote bis 2022 auf 1,23 Prozent, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Der Zielwert der Verteidigungsallianz ist 2,0 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Vor allem US-Präsident Donald Trump hatte mehrfach kritisiert, Deutschland gebe nicht genügend Geld für Verteidigung aus.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, es sei „wichtig, dass im Haushaltsaufstellungsverfahren für die äußere Sicherheit eine solide Finanzperspektive auch für die nächsten Jahre geschaffen wird“. Es gehe um entscheidende Themen wie die Bekämpfung des Terrors, die Beseitigung von Fluchtursachen, die Stabilisierung der europäischen Nachbarschaft bis hin zu den Friedensmissionen der Bundeswehr. „All das sind Themen, die von großer Bedeutung in den nächsten Jahren sein werden, die eine solide Finanzgrundlage brauchen.“

Die Vorsitzende der Linken in der SPD, Hilde Mattheis, hat die Haushaltspläne von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) scharf kritisiert. „Der aktuelle Haushaltsentwurf entspricht nicht meinem Politikverständnis“, sagte die Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Die Schuldenbremse beziehungsweise die schwarze Null ist nicht etwas, was wir anstreben sollten.“ Hier gebe es noch „Diskussionsbedarf in der SPD“.

Mattheis wies auf den „enormen Investitionsstau“ in Deutschland hin. „Deshalb finde ich es ärgerlich, dass jetzt die schwarze Null im Vordergrund steht.“ Es müsse vielmehr darum gehen, in öffentliche Infrastruktur zu investieren – in Schulen, Krankenhäuser oder den Breitbandausbau.

Auch in der Steuerpolitik mahnte Mattheis Handlungsbedarf an, um, wie sie sagte, die Verteilungsfrage zu klären. „Wir müssen über eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes genauso reden, wie über eine Reform der Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung einer Vermögensteuer“, sagte die SPD-Politikerin. Das sei kein Selbstzweck, sondern müsse immer dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen. „Deshalb ist es auch wichtig, Investitionen nicht zu drosseln, sondern eher zu forcieren.“ 

Mattheis forderte überdies einen höheren Mindestlohn. Das Thema habe Scholz selbst initiiert. „Er selbst sprach von einem Mindeststundenlohn von 12 Euro, da bin ich sofort auf seiner Seite“, sagte sie und mahnte: „Wir sollten die Anhebung des Mindestlohns im Interesse der Beschäftigten schnellstmöglich auf den Weg bringen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält nach den Worten ihres Regierungssprechers weiter steigende Ausgaben Deutschlands für Verteidigung für nötig. „Sie ist der Meinung, dass diese Steigerung der Verteidigungsausgaben fortgesetzt werden muss“, sagte Seibert am Mittwoch in Berlin.

Sie stehe auch zu den Nato-Vereinbarungen von Wales. Darin war eine Orientierungsmarke von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts genannt worden. Merkel habe auch kürzlich in Washington deutlich gemacht, dass im Bereich Verteidigung in Deutschland noch mehr getan werden müsse.

Im Übrigen gehe es beim neuen Bundeshaushalt von Finanzminister Olaf Scholz um einen Beschluss, der nun erst einmal in die parlamentarischen Beratungen gehen werde. Die Protokollerklärung der Ressortspitzen für Verteidigung und Entwicklungshilfe ist laut Seibert Teil des Kabinettsbeschlusses vom Mittwoch.

Gesundheitspolitiker von Grünen und Linkspartei haben der Großen Koalition vorgeworfen, die angekündigte Schaffung von mindestens 8000 zusätzlichen Stellen in der Pflege nicht mit finanziellen Zusagen im Bundeshaushalt zu untermauern. „Eine echte Pflegeoffensive bezahlt man nicht aus der Kaffeekasse“, sagte die pflegepolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Pia Zimmermann, dem Handelsblatt. Wenn es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ernst meinen würde, „dann gäbe es jetzt einen Haushaltsposten dafür“.

Für die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, ist der Haushalt ein Zeichen dafür, dass Spahn „keinen Plan“ habe. „Er bleibt die Antwort schuldig, wie die zusätzlichen Stellen überhaupt finanziert werden sollen“, sagte sie dem Handelsblatt.

„Anstatt flotte Sprüche zu klopfen oder die Senkung von Zusatzbeiträgen zu versprechen, soll sich Herr Spahn endlich an die Arbeit des Gesundheitsministers machen.“ Aktuell seien 36.000 Stellen in der Pflege unbesetzt und Spahn mache „nicht den Eindruck, diesen Notstand beenden zu wollen.“

Der Einzelhaushalt des Bundesgesundheitsministeriums sieht Ausgaben in Höhe von insgesamt rund 15,2 Milliarden Euro vor. Größter Posten ist mit 14,5 Milliarden Euro der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds, über den die gesetzlichen Krankenversicherungen finanziert werden. Spahn will die Kosten für das Sofortprogramm für neue Pflegekräfte mit den vorhandenen Mitteln der Krankenkassen abdecken.

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