Essen Kulturhauptstadt mit Geldnot

Noch im Januar feierte Essen auf der Zeche Zollverein den Titel als Kulturhauptstadt. Doch die Kosten sind hoch und die Stadt hat Geldsorgen.

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Zeche Zollverein in Essen Quelle: REUTERS

Schöne Bilder waren das am 9. Januar auf der Zeche Zollverein: Leise rieselte der Schnee auf den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso und das deutsche Staatsoberhaupt Horst Köhler. „Komm zur Ruhr“ schmetterte Rockbarde Herbert Grönemeyer dem Publikum entgegen.

Doch der Widerspruch zwischen dem 62 Millionen Euro teuren Kulturhauptstadt-Jahr und der finanziellen Realität der Stadt Essen ist nicht mehr zu kaschieren. „Es gibt in dieser Stadt keine echte Kultur des Sparens“, sagte der neue Stadtkämmerer Lars Martin Klieve der „Neuen Ruhr Zeitung“, nachdem er im Oktober 2009 sein Amt antrat, und: „Wer da sagt: Abwarten, es wird schon nicht so schlimm, dem halte ich entgegen: Oh doch, es wird schlimm.“

Hochkultur soll sparen

Für die 109 Auszubildenden der Stadt ist es schon so weit. Der Regierungspräsident aus Düsseldorf hat die Stadt unter Kuratel gestellt und verboten, die Berufsanfänger zu übernehmen. Jede Ausgabe muss sich der Stadtrat nun von der übergeordneten Behörde absegnen lassen. Der geplante Neubau des Stadions für den Viertligaverein Rot-Weiss Essen ist nun kaum mehr finanzierbar – dabei ist ein Teil der alten Fußballarena an der Hafenstraße schon abgerissen. Im Westen der Stadt macht SPD-Oberbürgermeister Reinhard Paß das Oase-Bad dicht, weitere Schwimm- und Sportstätten stehen auf der Kippe. Die ETB Baskets etwa können in der kommenden Saison womöglich nicht weiter in der 2. Basketball-Bundesliga spielen, nur weil die Stadt den dafür benötigten Parkettboden für 80.000 Euro nicht bezahlen kann.

Auch die Hochkultur soll sparen. Stefan Soltesz, Chef des Essener Aalto-Musiktheaters, liegt deswegen mit der Stadt im Streit. Selbst die Betriebskosten des von der Krupp-Stiftung mit 55 Millionen Euro gesponserten neuen Folkwang-Museums – ein international gelobtes Highlight – drohen die Stadt zu überfordern und führen zu Einsparungen an anderer Stelle.

Schnäppchen für wohlmeinende Freunde und Gönner

„In Essen herrscht die blanke Not“, sagt die sozialdemokratische Essener Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp. Nun machen auch noch private Kulturträger dicht. Gerade erklärte die Musical-Gesellschaft Stage Entertainment Deutschland, ein Symbol des Strukturwandels, sie werde ihre Essener Spielstätte im Juli schließen. Paß ist geschockt: „Wir hatten den Eindruck, dass sich Essen als Musical-Standort etabliert.“ Stattdessen offenbart Stage-Geschäftsführer Johannes Mock-O’Hara nun, kein einziges Stück habe im vergangenen Jahrzehnt schwarze Zahlen geschrieben. 100 Stage-Leute werden zu Kunden der Arbeitsagentur.

Derart unter Druck, greift die Stadt jetzt auf den Kapitalmarkt zu. An diesem Montag beginnt an der Düsseldorfer Börse die Zeichnungsfrist für eine 200-Millionen-Anleihe. 2,5 Prozent Zinsen bietet die Stadt – ein Schnäppchen für wohlmeinende Freunde und Gönner, die der notleidenden Kulturhauptstadt zu Hilfe eilen wollen.

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