Estland, Dänemark, Kanada Was Deutschland bei der Digitalisierung vom Ausland lernen kann

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Experten fordern gezielte Unterstützung von KI-Standorten

Ob und wie man Daten nutzen und wie sie dabei schützen sollte, ist eine Frage, die Politiker auch bei der Künstlichen Intelligenz umtreibt. Denn je genauer Daten sind und je größer ihre Menge ist, desto besser werden auch die lernenden Systeme. Wenn es um KI geht, gilt Kanada oft als Land, von dem man lernen kann. Gerade, wenn es um Ethik in der KI geht.

Denn dominiert wird die Szene von den USA und China. In den USA sind die Daten vorwiegend privatisiert – Quasimonopolisten wie Facebook, Google und Amazon können große Mengen sammeln, auswerten und in der Folge ihre KI optimieren. In China dagegen gehören die Daten am Ende immer dem Staat – und das Regime in Peking kommt der perfekten Überwachung und Lenkung der Menschen ständig näher.

Es geht also um die Frage, wie sich andere Länder gegen diese beiden Mächte behaupten können. Kanada zehrt dabei davon, dass der Staat die KI nie aufgegeben hat: Als Ende der Achtzigerjahre die KI-Forschung einmal mehr als aussichtslos galt und viele Regierungen die Mittel kürzten, finanzierte Kanada einige Wissenschaftler weiter, vor allem in Toronto und Montreal – und regte so auch andere Forscher und Unternehmen an, die Technik weiter zu verfolgen.

Wie die digitale Verwaltung in Estland lässt sich das natürlich nicht einfach nachholen. Und natürlich gibt es auch in Deutschland renommierte KI-Forschungsinstitute. Was man sich von den Kanadiern dennoch abschauen kann: die „gezielte Unterstützung“, wie Autoren der Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Studie schreiben. Also starke Standorte weiter zu fördern – das Gegenteil des Gießkannenprinzips.

Außerdem arbeitet der kanadische Staat eng mit Unternehmen zusammen. 2017 wurde das Vector Institute gegründet, eine Forschungseinrichtung, die Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringt. Die Idee: Wissenschaftler bringen ihre Kenntnisse ein, Unternehmen Geld und ihre Daten. Das Institut zieht weltweit führende Wissenschaftler an und hilft bei der Übersetzung von Forschung in Produkte.

Es dauere nur zwei Wochen, diesen KI-Forschern aus dem Ausland eine Arbeitserlaubnis auszustellen, zitieren die Studienautoren den kanadischen Innovationsminister. „Da der Kampf um KI-Talente härter wird, können andere Länder davon lernen“, urteilen sie.

Auch Taiwan setzt auf die Vernetzung von Unternehmen und Hochschulen. Vor allem aber fällt das Land durch seine Digitalministerin auf, Audrey Tang. Wollte man die perfekte Cyberressortchefin erschaffen, man käme wohl auf sie: Tang hat sich das Programmieren selbst beigebracht und mit 14 Jahren die Schule geschmissen.

Zwei Jahre später gründete sie ihre erste Firma, eine Suchmaschine für chinesische Liedtexte. Später arbeitete sie für die Stiftung hinter Wikipedia und für Apple. Nun soll Audrey Tang aus dem Hardwarehersteller Taiwan einen Standort machen, an dem die Software der Zukunft entwickelt wird. Und nebenher will sie die Demokratie mit digitalen Mitteln neu erfinden.

Wie das geht? Bei der Digitalkonferenz Republica stellte Tang im Mai selbst vor, was andere Digitalminister oder staatliche Stellen ihr nachmachen könnten – wobei sie nicht nach Berlin angereist war, sondern ihren Vortrag als Hologramm per Projektion hielt.

Im Zentrum des digitalen Taiwans stehen zwei Plattformen, über die die Bürger Projekte vorschlagen, über Gesetze diskutieren und sie mitgestalten können. Versammelt ein Vorschlag mindestens 5000 Befürworter, müssen die zuständigen Ministerien öffentlich darauf reagieren. So kam es unter anderem zu Reformen bei der Einkommensteuererklärung und Veränderungen für die medizinische Versorgung an abgelegenen Ortschaften.

Jedes Jahr organisiert die Digitalministerin außerdem einen Programmierwettbewerb. Die Gewinnersoftware wird in das staatliche Computersystem eingebaut. „Wir probieren hier Dinge aus“, sagte Tang der „Süddeutschen Zeitung“, „und sie funktionieren.“

Man stelle sich das mal vor.

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