EU fehlt Mechanismus Ölembargo: Die EU muss Länder wie Ungarn loswerden können!

Viktor Orban, Premierminister von Ungarn, trifft zu einem außerordentlichen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel ein. Quelle: dpa

Ungarn bremst mit seinem Veto die EU-Sanktionen gegen Russland. Das darf nicht sein. Die Gemeinschaft braucht härtere Mittel gegen Länder, die blindwütig Eigeninteressen vertreten. Ein Kommentar.

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Bald vier Wochen hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán den Rest der EU hingehalten, ehe die EU-Staats- und Regierungschefs beim EU-Sondergipfel am späten Montag ein Ölembargo gegen Russland verkünden konnten. Nachgegeben hat Orban bis zum Schluss nicht: Er setzte umfassende Zugeständnisse für sein Land durch. Das Embargo betrifft nur Öl, das über den Seeweg ins Land kommt. Ungarn kann also weiter billiges russisches Gas per Pipeline beziehen und sicherte sich sogar die Zusage zu, im Ernstfall verschifftes Gas importieren zu dürfen.

Mehr noch: Am Donnerstag wurde bekannt, dass das neue EU-Sanktionspaket gegen Russland wegen eines weiteren Einspruchs aus Ungarn nicht in Kraft treten kann. Die Regierung in Budapest verlangt, die geplanten Strafmaßnahmen gegen Patriarch Kirill, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, zu streichen.

Dabei ist das Embargo selbst für einen EU-Kompromiss löchrig und deckt nach Aussage von EU-Ratspräsident Charles Michel nur zwei Drittel der Importe ab. Nur weil Deutschland und Polen freiwillig bis zum Jahresende auf russisches Öl aus Pipelines verzichten wollen, könnte bis dann die Quote de facto auf 90 Prozent steigen.

Grundsätzlich gilt: Eine Gemeinschaft wie die EU kann nur funktionieren, wenn die Mitgliedsstaaten gemeinsame Interessen im Auge behalten. Beim Ölembargo geht es darum, Russland milliardenschwere Einnahmen zu entziehen, mit denen das Land den Krieg gegen die Ukraine finanziert.

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Ungarn war die Versorgung mit billigem Öl sichtlich wichtiger, als den Druck auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufrecht zu erhalten.

Orbán konnte sich seine selbstsüchtige Haltung leisten, weil er dafür keinen Preis zahlen muss – so wie auch sein anti-demokratischer Kurs einschließlich Beschneidung der Pressefreiheit keine Konsequenz aus Brüssel zeitigt. Einmal in die EU aufgenommen, verbleiben Länder dort. Der EU fehlt schlicht ein Mechanismus, um Länder auszuschließen, wenn diese gegen europäische Werte und Regeln verstoßen. Länder können nur selbst beschließen, die EU zu verlassen, wie Großbritannien es getan hat.

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Dieser Konstruktionsfehler sollte dringend korrigiert werden. Einfach wird das nicht, denn alle EU-Mitgliedsstaaten müssten zustimmen. Die Androhung eines Rauswurfes aus der Gemeinschaft und der Verlust der damit verbundenen Mittel wäre indes ein scharfes Instrument, das europäische Werte stärken würde.

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Dieser Text wurde am 31. Mai erstmals veröffentlicht und in der Folge aktualisiert.

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