
„Deutschlands Kanzlerin geht die sehr schlimmen Finanzprobleme der Eurozone gefühlsmäßig statt mit dem Verstand an, ignoriert die finanziellen Realitäten und beharrt darauf, dass Deutschland die Eurozone unterstützt, egal was das kostet. Aber bezahlen muss nicht die Kanzlerin: Sie sind es, deren Steuergelder in dem schwarzen Loch namens Griechenland versenkt werden. Wollen Sie das wirklich?“
Kein Text von uns ist das, darum die Gänsefüßchen. Er stammt aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Freitag, unter der Überschrift „Botschaft an das deutsche Volk“. Auch kein Text der Frankfurter Kollegen, sondern eine bezahlte Anzeige, deren Anfang – es geht dann im gleichen Sinn munter weiter – wir hier aus dem Englischen übersetzt haben. Die „Message to the German people“ auf einer Viertelseite der angesehenen Tageszeitung wird den Inserenten um die 27.500 Euro gekostet haben, oder besser gesagt 24.000 Pfund Sterling.
Die Griechen retten
Denn unter der Anzeige finden wir eine E-Mail-Adresse aus dem Vereinigten Königreich, eine Londoner Adresse und einen Firmennamen. „Marchessini & Co., London“ findet sich freilich in keinem elektronischen Unternehmensregister aus Großbritannien. Die angegebene Adresse bezeichnet ein nobles Sträßchen im Stadtteil Belgravia, ein paar Häuser weiter lebte jahrzehntelang der Flottenadmiral Louis Mountbatten, Onkel und Ziehvater von Prinz Philip. Unter „Marchessini“ gibt es da auch eine Telefonnummer, wo niemand abhebt. Und während der recherchierende Journalist dem melodischen Summton des britischen Freizeichens lauscht, findet er im Internet die Site www.marchessini.co.uk : Auf diesem Weg erfahren wir endlich alles über den klugen Briten, der uns und unser Geld vor Merkel und den Griechen retten will.
Demetri Marchessini heißt er, mit vollem Namen Demetri Panaghi Marchessini, wie wir (hier ohne Adresse) im Londoner Telefonbuch lesen. Zwei sehr griechische Vornamen, das ganze in italienischer Schreibweise, und aus der Selbstdarstellung von Herrn Marchessini erfahren wir neben vielem anderen, dass er als Kind und als Student in den USA gelebt hat. Ein Blogger wie so viele, global, jung-dynamisch, internet-affin, ökonomisch konservativ und ansonsten allem Neuen aufgeschlossen? Nicht so ganz.
Marchessini, auch das erzählt er uns Usern, ist 77 Jahre alt. Sein Foto auf der Site zeigt einen sympathischen Mittvierziger mit einem Geschäftsanzug im Schnitt der frühen Siebzigerjahre. Demetri Marchessini, das teilt er uns mit, hat ein vielfältiges Leben in der Wirtschaft hinter sich: erst im internationalen Schiffsgewerbe, dann im Banking; außerdem hat er in der internationalen Bridge-Szene eine Rolle gespielt. Und in letzter Zeit hat dieser ehemalige Assistent oder Konkurrent der Onassis und Niarchos „seine Energien darauf konzentriert, Erkenntnisse zusammenzustellen über die Welt, die er vor sich sieht“.