Europa und der Populismus Die riskante „Methode Merkel“

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„Merkels politischer Erfolg ist auch mit der Flüchtlingszahl verbunden“

Genährt habe diesen Eindruck, so die Studienautoren, auch der heftige Streit, der in den vergangenen Monaten zwischen den Unionsparteien getobt habe. Aus Sicht der Experten gibt es jedoch einen Ausweg aus dem Dilemma: „Die Beilegung des Streits gepaart mit einer konzentrierten kommunikativen Aktion, die ausstrahlt: ‚Wir haben die Lage im Griff‘, würde der Entwicklung der AfD vermutlich sehr schaden.“ Und Merkel möglicherweise auch innerparteilich stärken.

„Angela Merkels politischer Erfolg ist auch mit der Flüchtlingszahl verbunden“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff (CDU) im Gespräch mit „FAZ.net“. Der CDU-Politiker zeigte sich deshalb besorgt angesichts der Drohung des türkischen Präsidenten Erdogan, den Flüchtlingspakt mit der EU aufzukündigen. Zumal sich Merkels Politik seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im vergangenen Herbst grundlegend verändert habe. Auch wenn sie keine Kurswende verkündet habe, habe sie diese gleichwohl vollzogen. Die Herausforderung sei noch immer groß, aber lösbar, fügte Haseloff mit Blick auf die Integration der Zugewanderten in den Arbeitsmarkt hinzu.

Auch in der Bertelsmann-Studie wird konstatiert, dass sich die deutsche Flüchtlingspolitik seit Anfang 2016 „drastisch verändert“ habe. Politische Beobachter wiesen etwa auf die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei hin, die die Zahl der Flüchtlinge, die an der Küste Griechenlands ankommen, deutlich reduziert habe. Gleichzeitig sei der Familiennachzug fast vollständig ausgesetzt worden. So sähen sich geflüchtet Familienväter, die gehofft hatten, ihre Familien bald nachzuholen zu können, nun „hohen Hürden“ gegenüber.

So seien zwar die rechtlichen Standards für Asylsuchende nicht gesenkt worden, aber „die Lebensbedingungen sind härter geworden, bevor und nachdem Asyl gewährt wurde“, so die Studienautoren. Gleichzeitig habe die deutsche Regierung die Zahl der Länder, die als sichere Drittstaaten gelten, deutlich erhöht. Wer aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland einreist, mit dem Ziel, Asyl zu beantragen, habe „kaum noch eine Chance, den Antrag überhaupt zu stellen“. Bürger dieser Staaten könnten ohne weitere Prüfung zurückgeschickt werden, wenn sie nicht beweisen können, dass ihr Leben bedroht sei.

„Dieser politische Wandel ist nur vor dem Hintergrund sich verändernder politischer Rahmenbedingungen zu verstehen“, sind die Bertelsmann-Experten überzeugt. So sei das Jahr 2016 gekennzeichnet durch einen „rapiden“ Rückgang der Popularität der Bundeskanzlerin, durch „großen“ Widerstand gegen ihre Politik aus ihren eigenen Reihen und vom Aufstieg der rechtspopulistischen AfD.

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