Europäische Lösung gesucht Der Preis für Merkels Asyl-Position

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Schuldenerlass für Italien und Griechenland?

Hintergründig dürfte auch für Italiens Einwilligung die Kompromissbereitschaft Deutschlands auf einem anderen Politikfeld der notwendige Schmierstoff sein – inoffiziell natürlich. Worauf es Italiens Regierenden ankommt, hat der neue italienische Finanzminister, Giovanni Tria, kaum im Amt, schon deutlich gemacht: Er fordert den Schuldenerlass für sein Land. Die von der Europäischen Zentralbank aufgekauften Schuldtitel sollten komplett erlassen werden. Die – schuldenfinanzierten – Investitionspläne aus Paris und Brüssel sind ihm viel zu klein.

Tria vertrat in früheren Veröffentlichungen die Forderung nach „Helikoptergeld“: Die EZB soll neu geschaffenes Geld gleichmäßig über der Wirtschaft abwerfen. Kurz: Tria steht für das absolute Gegenteil einer stabilitätsorientierten, traditionell deutschen Fiskal- und Geldpolitik. Eine Eurozone nach seinen Vorstellungen wäre eine offene Transfer- und Haftungsunion – mit Deutschland als wichtigstem Transfergeber und Haftungsnehmer.

Einen solchen Schuldenerlass der EZB kann die Bundesregierung natürlich nicht unmittelbar zusagen. Was sie allerdings könnte: Signalisieren, dass sie einer solchen Aktion keinen hartnäckigen Widerstand leisten würde. Und dann ist da ja noch die Frage der Nachfolge von Mario Draghi als EZB-Chef. Die Chancen, dass ihn der stabilitätsbewusste Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, beerbt, dürften nicht gerade steigen.

Das zweite wichtige Erstaufnahmeland für einen sehr großen Teil der Migranten, die nach Deutschland weiterreisen, ist ausgerechnet Euro-Sorgenkind Griechenland. Auch hier dürften Flüchtlings- und Euro-Politik zumindest hintergründig miteinander in Berührung kommen. Die Finanzminister der Eurogruppe werden in dieser Woche noch in Luxemburg gemeinsam mit der EZB und dem Internationalen Währungsfonds über Erleichterungen für Griechenland entscheiden. Dass es die geben wird, hat Eurogruppen-Präsident Mario Centeno aus Portugal bereits in Aussicht gestellt. Ende August läuft das dritte Hilfsprogramm (in Höhe von 86 Milliarden Euro) aus. Bis Ende Juni will die Eurogruppe mit dem Internationalen Währungsfonds eine Lösung präsentieren, wie es danach weitergeht. Also: Welcher Teil der Schulden dem griechischen Staat erlassen wird und woher und wie viele Milliarden dann ab August nach Athen getragen werden. Vermutet wird, dass es entweder zum Tilgungsaufschub kommt und zusätzlich oder alternativ die Zinsen für die laufenden Kredite gestundet werden.

Deutschland hat weitgehende und automatische Schuldenerleichterungen für Griechenland bisher abgelehnt. 2016 – also noch zu Zeiten Wolfgang Schäubles als Bundesfinanzminister – war als Bedingung dafür die Besserung der ökonomischen Daten des Landes und die Realisierung der von Athen versprochenen Reformen genannt worden. Dass Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras kürzlich diese Bedingungen für „umgesetzt“ erklärte, kann nicht überraschen. Die Frage ist jetzt, ob Schäubles Nachfolger Olaf Scholz die tatsächlichen Bedingungen für sein Nachgeben nicht eher bei seiner Kanzlerin in Berlin als in Athen sieht.

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