Die EU steht nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Finanzplanung für die kommenden Jahre vor großen Herausforderungen. Nicht nur der bevorstehende Brexit bringe für Europa bei der Neuverteilung der Finanzlasten erhebliche Probleme mit sich. Auch neue Zukunftsaufgaben wie die Verteidigungspolitik, wie Migration und Bekämpfung von Fluchtursachen müssten mit der neuen Finanzplanung gestemmt werden, machte die CDU-Vorsitzende am Montag vor Treffen mit dem luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel und später mit dem niederländischen Ministerpräsident Mark Rutte deutlich.
Durch den Brexit entsteht in der EU eine Haushaltslücke von etwa zwölf Milliarden Euro jährlich. Der mittelfristige Finanzrahmen ist unter anderem Thema des informellen EU-Gipfels am Freitag in Brüssel. Die finanzielle Lage sei „sehr fordernd“. Nicht alle EU-Mitgliedstaaten seien dafür, nach dem Austritt Großbritanniens mehr Geld auszugeben, sagte Merkel. Die Niederlande hatten bereits Forderungen nach einer Ausweitung des EU-Haushalts eine Absage erteilt.
Rutte sagte nun an die Adresse von Merkel, man habe „über die Jahre hin ein enges Verhältnis aufgebaut“, sowohl persönlich wie politisch verstehe man sich gut. Man sei sowohl bei politischen wie auch bei Wirtschaftsfragen sehr oft gemeinsam vorangegangen. „Ich bin froh über die Aussicht, dass Angela Merkel und ich die enge Zusammenarbeit nach Abschluss der Regierungsbildung fortsetzen können“, sagte Rutte. Auch Merkel unterstrich, beide Seiten hätten bei den europäischen Herausforderungen immer konstruktiv zusammengearbeitet.
Der Brexit-Fahrplan
Laut Barnier sollen bis Oktober 2018 die Details für den Austritt Großbritanniens ausverhandelt sein. Der Franzose hat diesen Zeitplan bereits als sehr ambitioniert bezeichnet. Andere Experten halten ihn angesichts der Fülle der Problemfelder für unmöglich. Womöglich wird es deshalb zahlreiche Übergangsfristen von etwa zwei bis fünf Jahren geben.
Die schottische Regierung will im Herbst 2018 ein zweites Referendum über den Verbleib im Vereinigten Königreich abhalten, sobald die Bedingungen für den Brexit klar sind. May hat dies abgelehnt.
Bis März 2019 wäre dann Zeit, damit Mitgliedsländer und EU-Parlament die Vereinbarung ratifizieren. Der Tag des Austritts Großbritanniens aus der EU wäre dann Samstag, der 30. März.
Unklar ist, wann die umfassenderen Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU abgeschlossen sind. May strebt ein Freihandelsabkommen mit der EU innerhalb weniger Jahre an, über das schon parallel zum Brexit verhandelt werden soll. Dagegen verweist die EU-Kommission auf die Erfahrung aus anderen Abkommen wie etwa mit Kanada (Ceta), über das sechs Jahre lang verhandelt wurde. Im Ceta-Vertrag sind allerdings keine Vereinbarungen über den komplexen Bereich der Finanzdienstleistungen enthalten, die für Großbritannien und den Finanzplatz London von enormer Bedeutung sind.
Merkel und Bettel forderten mehr Bürgernähe in Europa. „Gerade im Vorfeld der europäischen Wahlen wird es sehr wichtig sein, die Bürger mitzunehmen“, sagte Merkel. Bettel betonte: „Luxemburg will eine Union, die nach vorne gerichtet ist, näher am Bürger ist und sich auf die Sorgen der Bürger konzentriert.“
Bettel wie Rutte wünschten Merkel Erfolg bei der Regierungsbildung. Eine starke Regierung in Berlin sei wichtig für ihre jeweiliges Land und für Europa, machten beide Gäste deutlich.
Rutte sagte mit leichtem ironischen Unterton, er wisse aus eigener Erfahrung, dass es mit der Regierungsbildung manchmal etwas länger dauern könne. Rutte hatte in den Niederlanden im Oktober - mehr als sieben Monate nach der Parlamentswahl - eine neue Regierung bilden können. Der rechtsliberale Rutte führt nun eine Mitte-Rechts-Koalition. Mit 225 Tagen war es die bislang längste Regierungsbildung in der Geschichte der Niederlande.