Europäische Zentralbank "Einen weiteren Draghi können wir uns nicht leisten"

CSU-Politiker fordern, dass der nächste EZB-Chef aus Deutschland kommt. Die Kritik an der EZB und dem aus Italien stammenden Mario Draghi wird wegen der ultra-lockeren Geldpolitik immer lauter.

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EZB-Präsident Mario Draghi Quelle: REUTERS

Der nächste Chef der Europäischen Zentralbank soll CSU-Politikern zufolge aus Deutschland kommen. Die Politik des derzeitigen Präsidenten Mario Draghi habe zu einem massiven Verlust der Glaubwürdigkeit der EZB geführt, sagte der CSU-Politiker und Unions-Fraktionsvize, Hans-Peter Friedrich, der "Bild" (Montagausgabe).

Nach dem Ende von Draghis Amtszeit 2019 müsse "der nächste EZB-Chef ein Deutscher sein, der sich der Tradition der Währungsstabilität der deutschen Bundesbank verpflichtet fühlt", zitiert die Zeitung Friedrich.

Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl sagte dem selben Blatt: "Einen weiteren Draghi können wir uns nicht leisten." An der Spitze der EZB sei ein deutscher Finanz-Spezialist nötig. Auch der bayerische Finanzminister Markus Söder sprach sich bereits dafür aus, dass der nächste EZB-Präsident aus Deutschland kommen sollte. Die EZB brauche den Richtungswechsel und mehr deutsche Handschrift, sagte er der "Bild am Sonntag".

In Deutschland war zuletzt die Kritik an der EZB und dem aus Italien stammenden Draghi wegen der ultra-lockeren Geldpolitik und den zu befürchtenden Folgen lauter geworden.

Die EZB hatte Anfang März den Leitzins auf null Prozent gesenkt und den Strafzins für Banken, die ihr Geld bei der Notenbank parken, verschärft. Damit will die EZB die nur schwach wachsende Wirtschaft im Euro-Raum ankurbeln und die hartnäckig niedrige Inflation nach oben treiben. Sie trifft aber bei Sparern und in der Geldbranche auf immer mehr Widerstand.

Trotz der harschen Kritik aus Deutschland werden die EZB-Geldschleusen aller Wahrscheinlichkeit nach vorerst weit geöffnet bleiben. Draghi wird Experten zufolge am Donnerstag nach der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt seinen Kurs des extrem billigen Geldes erneut verteidigen. Mit zusätzlichen Schritten zur Lockerung der Geldpolitik rechnen Volkswirte allerdings nicht. "Unser Basisszenario bleibt, dass die EZB jetzt ihre Arbeit erledigt hat und sie keine weiteren Maßnahmen in den kommenden Monaten hinzufügt", sagt Reinhard Cluse, Volkswirt bei der Schweizer Großbank UBS. Am Leitzins, der inzwischen bei 0,0 Prozent liegt, dürfte Draghi auch nicht mehr rütteln.

Die Euro-Wächter hatten erst im März unter anderem beschlossen, die Strafzinsen für Geschäftsbanken zu verschärfen, wenn diese über Nacht überschüssiges Geld bei der EZB parken: Der sogenannte Einlagensatz liegt nun bei minus 0,4 Prozent. Zudem wurde der monatliche Umfang der Anleihenkäufe auf 80 Milliarden von zuvor 60 Milliarden Euro erhöht. Mit dem jetzt insgesamt auf 1,74 Billionen Euro angelegten Programm will die EZB für mehr Wirtschaftswachstum und mehr Inflation im Euro-Raum sorgen. Banken sollen dazu bewegt werden, weniger in Anleihen zu investieren und stattdessen mehr Kredite auszureichen.

Auch Firmenanleihen will die EZB künftig erwerben. Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert erwartet, dass der EZB-Rat nun über die Ausgestaltung beraten wird - etwa ob es nur Bonds von nicht zum Finanzsektor zählenden Unternehmen sein werden und ob sich die EZB dabei an einem Index für Firmenbonds orientieren will. "Da der Markt für EZB-fähige Unternehmensanleihen laut Ratsmitgliedern weder besonders liquide noch groß ausfällt, dürfte das monatliche Kaufvolumen wohl nur grob drei Milliarden betragen", schätzt Schubert.

Maßgeblich dürften die Entscheidungen des EZB-Rats davon beeinflusst werden, wie sich die Konjunktur weiter entwickelt. Die jüngsten Wirtschaftsdaten fielen etwas günstiger aus. Der Einkaufsmanager-Index für die Währungsunion kletterte im März um 0,4 auf 51,6 Punkte - oberhalb von 50 Zählern signalisiert das Barometer Wachstum. Zudem kommt die Erholung der Konjunktur langsam auch am Jobmarkt an: Im Februar fiel die Arbeitslosigkeit auf den tiefsten Stand seit viereinhalb Jahren. Und auch der Ölpreis entfernt sich mit aktuell rund 43 Dollar für das Barrel Brent immer mehr von den Januar-Tiefs unter 30 Dollar.

Nach wie vor Bauchschmerzen bereitet den Währungshütern allerdings die Preisentwicklung. Die Verbraucherpreise stagnierten im März, nachdem sie im Februar sogar um 0,2 Prozent gefallen waren. Damit bleibt das Ziel von knapp zwei Prozent - aus EZB-Sicht der optimale Wert für die Wirtschaft - weit entfernt. Die Währungshüter rechnen damit, dass die Inflation erst im späteren Jahresverlauf wieder anziehen wird. Fallende Preise gelten als gefährlich, weil Verbraucher sich dann in der Erwartung zurückhalten, Produkte bald noch günstiger zu bekommen. Firmen verdienen dann weniger, schieben Investitionen auf und entlassen Mitarbeiter - eine Abwärtsspirale nach unten kommt in Gang, die nur schwer zu stoppen ist.

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