Europapolitik der GroKo Aufbruch ins Unkonkrete

Union und SPD versprechen ein gerechteres, stabileres und wettbewerbsfähigeres Europa. Doch im Plan der GroKo-Parteien bleiben zentrale Fragen einer Reform der EU unbeantwortet. Eine Analyse.

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Union und SPD wollen einen Fokus auf die EU legen. Doch die Pläne bleiben nebulös. Quelle: dpa

Berlin Gleich am Anfang steht Europa. Einen neuen Aufbruch – darauf haben sich Union und SPD im ersten Kapitel des Papiers geeinigt, in dem sie die Ergebnisse ihrer Sondierungen zusammengetragen haben. Europa soll gerechter, krisenfester und wettbewerbsfähiger werden. Und dafür öffnet Deutschland das Portemonnaie. „Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit“, schreiben die Unterhändler.

Die Berliner Politik will sich also aus der europapolitischen Selbstlähmung befreien, mit monatelanger Verzögerung endlich auf die Reformvision des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagieren. Die vor allem im Süden Europas grassierende Jugendarbeitslosigkeit soll stärker bekämpft werden, ebenso das Lohndumping durch die Einführung eines „Rahmens für Mindestlohnregelungen“. Zugleich setzen sich die Verhandlungspartner das Ziel, „missbräuchliche Zuwanderung in die Systeme der sozialen Sicherheit“ zu unterbinden.

Wie all das konkret gelingen soll, bleibt noch vage. Europa wurde in den vergangenen Wochen als zentrales Projekt einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition beschworen. Doch bei ihren Sondierungen flüchteten sich die Koalitionäre in spe ins Allgemeine.

Das gilt vor allem für die Weiterentwicklung der Eurozone, die Union und SPD vorantreiben wollen. „Wir wollen in enger Partnerschaft mit Frankreich die Eurozone nachhaltig stärken und reformieren, sodass der Euro globalen Krisen besser standhalten kann. Wir wollen fiskalische Kontrolle, wirtschaftliche Koordinierung in der EU und der Eurozone sowie den Kampf gegen Steuerbetrug und aggressive Steuervermeidung vorantreiben.“ So steht es im Sondierungspapier. Wichtige Streitpunkte zwischen Union und SPD wurden allerdings ausgeklammert. Braucht es eine Bankenunion? Viele SPD-Experten meinen ja, aber die CSU ist strikt dagegen. Wird es einen Extra-Haushalt für die Eurozone geben, wie Macron es fordert, vielleicht sogar einen Euro-Finanzminister? Auch diese Frage bleibt unbeantwortet.

Ähnlich sieht es bei Vorstellungen zu einer koordinierten Verteidigungspolitik aus. „Die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik muss im Sinne einer Friedensmacht Europa gestärkt werden“, verkünden die Parteien. „Wir wollen die Zusammenarbeit bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärken und mit Leben füllen.“

SPD-Chef Martin Schulz, dem die Europapolitik als langjähriger Chef des EU-Parlaments besonders am Herzen liegt, sprach von „hervorragenden Ergebnissen“. Ganz anders sehen das die Grünen, die in einer Jamaika-Koalition gern die deutsche Europapolitik geprägt hätten. „Spannende Ideen und neue Impulse sucht man vergebens, stattdessen finden sich leere Formelkompromisse und klitzekleine Trippelschritte“, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger. Die Opposition im Bundestag läuft sich schon mal warm.

Auch die SPD-internen GroKo-Gegner wird Schulz mit seinen europapolitischen Aufbruchsversprechen kaum umstimmen. Kommende Woche soll ein SPD-Parteitag darüber entscheiden, ob die Sondierungsergebnisse für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen reichen. Erst dann kann auch geklärt werden, wer künftig die deutsche Außenpolitik verantworten soll. Der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) würde seinen Job gern behalten. Doch der Weg zur neuen Regierung ist noch lang und verschlungen.

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