Europawahl Der Wahl-O-Mat hat unangenehme Nebenwirkungen

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Von Problemlösern zu Wahlprogramm-O-Maten

Wer in Europa mitreden will
Jean-Claude Juncker Quelle: dapd
Martin Schulz Quelle: dpa
David McAllister Quelle: dpa
Rebecca Harms Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, ist die Spitzenkandidatin der deutschen Grünen für die Wahl zum Europa-Parlament im Mai. Die 57-Jährige setzte sich beim Parteitag der Grünen in Dresden mit 477 Stimmen gegen die weithin unbekannte Europa-Abgeordnete Franziska (Ska) Keller durch, die 248 Stimmen erhielt. Keller hatte ihre Kandidatur für den ersten Platz der deutschen Grünen bekanntgegeben, nachdem die 32-Jährige bei einer Internet-Abstimmung über die Spitzenkandidaten der europäischen Grünen überraschend mehr Stimmen als Harms erhalten hatte. "Mir ist sehr bewusst, dass ich schon weit über 30 bin, aber ich bin immer noch die Gorleben-Aktivistin und ich will immer noch die Welt verändern", schloss Harms ihre Bewerbungsrede unter Anspielung auf die Atomkraftgegner in der Region um das ursprünglich in Gorleben geplante Atommülllager. Quelle: dpa
Bernd Lucke Quelle: REUTERS
Alexander Graf Lambsdorff  Quelle: dpa
Guy Verhofstadt Quelle: REUTERS

Zudem gibt es einige Fragen, bei denen sich die Parteien ihre Meinung kräftig zurechtbiegen, um näher am vermeintlichen Mainstream zu liegen. So zeigt die Linke sich „neutral“ gegenüber der These „Alle Banken sollten verstaatlicht werden“. Dabei heißt es noch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013,  es sei „geboten, die privaten Großbanken zu vergesellschaften“ – es wären also nicht alle Institute betroffen. Ähnlich verwirrend ist die Haltung der AfD zur These, EU-Bürger sollten „Sozialleistungen nur von ihrem Heimatland empfangen.“ Etwas überraschend lehnt die Partei diese Forderung ab und bleibt damit im Konsens der Parteien. Solch eine Forderung sei „unrealistisch“, argumentiert die AfD. Vielmehr sollten „Zuwanderer ohne ausreichende Mittel in ihre Heimat zurückkehren müssen.“ Die Ablehnung wird also mit einer noch radikaleren Forderung begründet, der Wähler in die Irre geführt.

Aus all diesen Problemen ergibt sich ein Ergebnis, das kaum etwas aussagt und dennoch von vielen Wählern als eindeutige Wahlempfehlung aufgefasst wird. Da ist auch der Name „Wahl-O-Mat“ nicht gerade glücklich gewählt, suggeriert er doch die automatische Produktion des zutreffenden Wahlergebnisses.

Vor allem aber führt diese scheinbare Rationalität dazu, dass echte politische Rationalität an Gewicht verliert. Schließlich ist das Parteiprogramm nicht alles. So sind gerade Europawahlen aus Sicht der Bundespolitik auch als Signal für die nationalen Wahlen von Bedeutung. Zudem wird eine Regierung nicht nur gewählt, um ihr Programm umzusetzen, sondern auch, um auf neu auftauchende Probleme zu reagieren.

All das wissen die meisten Wähler. Sie sollten es nicht vergessen, während sie den Wahl-O-Mat benutzen. Sonst werden auch Politiker von Problemlösern zu Wahlprogramm-O-Maten. Auf dem Weg dahin sind sie bereits.

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