Evangelischer Kirchentag Merkel warnt vor Glaubwürdigkeitsverlust der staatlichen Institutionen

Die Bundeskanzlerin wird auf dem evangelischen Kirchentag frenetisch gefeiert – lehnt eine weitere Ausübung ihres Amtes nach der Bundestagswahl aber ab.

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Die liberische Friedensnobelpreisträgerin fordert die deutsche Kanzlerin zum Weitermachen auf – doch die sagt ab. Quelle: dpa

Dortmund Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Zusammenhang mit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einem Verlust der Glaubwürdigkeit staatlicher Institutionen gewarnt. Merkel erinnerte an ihr Versprechen an die Angehörigen der NSU-Opfer, die Verbrechen der Neonazi-Terrorzelle vollständig aufzuklären. „Gibt es eben aus diesen Zeiten hier Verbindungen?“, fragte Merkel am Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund.

Ohne jedes Tabu müsse aufgeklärt werden, sagte die CDU-Politikerin. „Sonst haben wir einen vollkommenen Verlust der Glaubwürdigkeit. Und der ist natürlich das Gegenteil von dem, was wir brauchen, nämlich Vertrauen“, sagte Merkel. Daher sei der Staat auf allen Ebenen gefordert. „Und die Bundesregierung nimmt das sehr, sehr ernst.“

Merkel nahm beim Kirchentag an einer zweistündigen Veranstaltung zum Thema „Vertrauen als Grundlage internationaler Politik?“ teil. Dabei teilte sie sich das Podium mit der ehemaligen Staatspräsidentin Liberias, Ellen Johnson Sirleaf. Die Friedensnobelpreisträgerin sagte, Merkel werde als eine der größten politischen Führungspersönlichkeiten des 21. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen.

Sie appellierte an die 64-Jährige, noch länger als geplant im Amt zu bleiben. Doch Merkel erwiderte: „Alles hat einen Anfang und alles hat nun einmal ein Ende.“ Zum Ende dieser Legislaturperiode will Merkel aufhören und strebt dann nach eigener Aussage auch kein anderes politisches Amt an. 

Merkel wurde von den Kirchentagsteilnehmern stürmisch gefeiert. So erhoben sich die Zuhörer in der nahezu voll besetzten Westfalenhalle sowohl zu Beginn als auch zum Abschluss von den Plätzen und spendeten ihr lang anhaltenden Beifall. Merkels Reaktion: „Wir nehmen das gleich mal als Lockerungsübung, wie das auf Kirchentagen üblich ist.“

Dem Thema des Podiums entsprechend machte Merkel das Stichwort „Vertrauen“ zum roten Faden ihrer Äußerungen. So mahnte sie eine friedliche Lösung der Krise zwischen den USA und dem Iran an. „Aus meiner Sicht muss es eine politische Lösung geben.“ Erneut bekannte sie sich zu internationaler Zusammenarbeit und betonte die Bedeutung von Organisationen wie den Vereinten Nationen und der Europäischen Union. „Misstrauen wird mancherorts gar zur Regierungspolitik erklärt“, kritisierte sie und warnte: „Ohne Vertrauen als Grundlage kann internationale Politik nicht gelingen.“ 

Beim Thema Klimawandel sprach sich Merkel dafür aus, auch Vertrauen zwischen Stadt und Land aufzubauen. Als Berliner Schüler sie vor einiger Zeit gefragt hätten, mit wem auf der Welt sie Partnerschaften eingehen sollten, habe sie ihnen gesagt: „Macht erstmal Partnerschaften mit den ländlichen Regionen in Deutschland, wo die ganzen Windkraftanlagen und die ganzen Stromleitungen gebaut werden.“

Die Bundesregierung habe sich entschlossen zu sagen: „Ja, wir setzen uns unter Druck. Wir wollen bis 2050 klimaneutral sein.“ Es sei gut, dass die Jugend die Politik aus dem bisherigen Tempo „herausgerissen“ habe und die Dringlichkeit des Klimaschutzes jetzt deutlicher geworden sei.

Als Industrieland, das das Klima schon seit langem belaste, habe Deutschland die Pflicht, innovative Lösungen zu entwickeln. „Soll ich Liberia sagen, sie sollen klimaneutral werden, wo sie noch nicht mal Elektrizität hatten?“, fragte Merkel. „Das ist ja zynisch. Sondern wir müssen dann die Vorreiter sein.“ 

Mehr: Eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 ist ein Kraftakt – aber möglich. Das meint jedenfalls Gastautor Miguel Aria Canete.

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