Ex-Bundesbank-Vorstand Helmut Schlesinger "Der kleine Falke"

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Helmut Schlesinger Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

In Brüssel diskutieren die Finanzminister darüber, den EU-Rettungsfonds erheblich aufzustocken und die Befristung bis 2013 aufzuheben. Was halten Sie davon?

Von diesem Plan sind die Regierungen offensichtlich nicht abzubringen. Wenn das so ist, muss der Zugang zu den Mitteln sehr restriktiv und nur unter strikten Auflagen gehandhabt werden.

Ist der Fonds nun sinnvoll oder nicht?

Mir geht es auch dabei um die Konsequenzen für die Europäische Zentralbank. Würde zum Beispiel der Fonds Staatsanleihen kaufen, wäre das kurzfristig eine Entlastung für die EZB.

Und langfristig?

Da könnte man zum Beispiel auf die Idee kommen, die Hilfe der Notenbank doch wieder in Anspruch zu nehmen, wenn der Fonds seine Anleihen einmal nicht mehr so gut verkaufen kann. Würde man dann solche Papiere attraktiv machen, indem man erlaubt, sie bei den Zentralbanken gegen Liquidität einzutauschen, dann kämen die ganzen Risiken in einem noch höheren Umfang zurück. Insofern bezweifle ich, dass diese Lösung auf Dauer richtig ist. Es darf doch daraus kein Geschenk an die Finanzminister werden: Zu Hause schmieden sie Stabilitätspakte und schwören sich auf neue Schuldengrenzen ein – und dann finanzieren sie sich über den europäischen Fonds.

Wie wäre das zu verhindern?

Die Kreditaufnahmen dieses Fonds gegenüber müssten entsprechend den Haftungsanteilen der nationalen Staatsverschuldung zugerechnet werden. Geschieht das nicht, besteht die Gefahr der Umgehung der Schuldenbegrenzungen in den einzelnen Ländern.

Wie beurteilten Sie in den Neunzigerjahren das Vorhaben des Euro?

Anfangs hatte ich große Zweifel. Das wirtschaftliche Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten ist schon immer groß gewesen, Europa war nie das ideale Gebiet für eine Währungsunion. Doch in Frankreich hieß es: Entweder das gemeinsame Geld schafft das geeinte Europa – oder es wird keines geben. Wir Notenbanken haben damals versucht, bei der Konstruktion der Währungs- und Wirtschaftsunion im Vertrag von Maastricht allen Befürchtungen Rechnung zu tragen, die wir uns vorstellen konnten. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Staates einmal die Währungsunion gefährden könnte.

Nun versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Euro-Länder durch einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit in einen funktionierenden Währungsraum zu zwingen. Kann das klappen?

Gegen die Vorschläge im Einzelnen – Abschaffung der Lohnindexierung, Angleichung des Rentenalters und Harmonisierung der Steuerbemessungsbasis – ist nichts einzuwenden. Das darf man dann aber nicht auf die Euro-Zone beschränken, denn es gibt ja noch viele Länder in der EU, die dem Euro noch beitreten sollen. Die darf man nicht außen vor lassen.

Glauben Sie wirklich, das reicht?

Da sind wir wieder bei der Frage nach dem idealen Währungsraum. Es gab ja anfangs die Vorstellung, die Euro-Länder würden sich infolge der Abschaffung der Wechselkurse wirtschaftlich angleichen. Aber eher war das Gegenteil der Fall, weil es zunächst zu einer Angleichung der Zinsen auf niedrigem Niveau kam und die Märkte der No-Bail-out-Klausel im Grunde keinen Glauben schenkten. Das hat zu einer gewaltigen Kreditexpansion in bestimmten Ländern geführt, und die Menschen haben sich damit Häuser, Autos, Schwimmbäder und Yachten gekauft. Dabei handelt es sich auch um ein Marktversagen, weil die einzelnen Länderrisiken nicht beachtet wurden. Jetzt versucht die Politik die Anpassung von oben zu exekutieren.

Kann das funktionieren?

Schlesinger: In der Frage „Macht oder ökonomisches Gesetz“ entscheidet letztlich die Ökonomie. 

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