In Ihrem Buch schreiben Sie, dass es das viel zitierte Allgemeinwohl, auf das sich Politiker gerne berufen, und auch eine objektive Gerechtigkeit gar nicht gibt. Wird man als Lobbyist zum Zyniker? Verliert man den Glauben an das demokratische System?
Nein. Was man als Lobbyist macht, ist ja gerade der Kern der Demokratie, nämlich dass unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen ihre Interessen artikulieren und in den politischen Prozess einbringen. In jedem Gesetzgebungsprozess ist vorgesehen, dass die Betroffenen anzuhören sind. Ein Verband bekommt ganz offiziell von einem Ministerium einen Gesetzentwurf, weil das so vorgeschrieben ist. Da ist nichts Geheimes dabei. Das ist gelebte Demokratie. Das Problem gerade bei Organisationen wie Lobbycontrol ist, dass Lobbyismus nur in Verbindung mit Wirtschaftsinteressen wahrgenommen wird. Das ist ein Denkfehler. Alle gesellschaftlichen Gruppen machen Lobbyarbeit.
Sie sehen auch Greenpeace und Amnesty International als Lobby-Organisationen.
Selbstverständlich. Aber auch den Mieterbund, die Gewerkschaften, die Kirchen. Das wollen viele Menschen, auch Journalisten, zwar nicht sehen, aber da arbeiten genauso hauptamtliche Lobbyisten wie bei Wirtschaftsverbänden. Und die sind auch oft erfolgreich. Der Wegfall der Praxisgebühr zum Beispiel war ein großer Lobbyerfolg von Patientenverbänden.
Wie können Lobbyisten Politiker beeinflussen? Gibt es da Geheimrezepte?
Sachliche Argumente sind nur sehr selten wirksam. Man erlebt ja fast nie, dass ein Politiker nach einer Diskussion sagt: Sie haben mich überzeugt, jetzt habe ich meine Meinung geändert. Als ich damals als Lobbyist anfing, musste ich schnell lernen, dass man mit einem Argument kaum weiter kommt, weil es immer ein Gegenargument gibt. Wie kommt man dennoch weiter? In der Politik wie im sonstigen Leben gilt der Grundsatz: Wen man mag, dem hilft man. Auf Sympathie kommt es an, auch wenn das viele bestreiten und behaupten werden, es gehe ihnen nur um die Sache.
Lobbyarbeit besteht also aus der Erzeugung von Sympathie?
Es geht um menschliche Beziehungspflege. Die Politiker und Ministerialbeamten haben ganz normale menschliche Bedürfnisse. Man braucht nicht die großen Geldkoffer. Abgesehen davon, dass das illegal wäre, und das Geld auch gar nicht da ist, weil die Unternehmen sparen.