Ex-Lobbyist Volker Kitz Lobbyismus ist gelebte Demokratie

Volker Kitz war Interessenvertreter eines Verbandes im politischen Berlin. Jetzt hat er über die Tricks der Branche ein Buch geschrieben und verrät, wie man es schafft, dass andere tun, was man will.

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Ex-Lobbyist und Autor Volker Kitz hält Lobbyismus für das Kerngeschäft im demokratischen System. Quelle: Presse

Die Organisation Lobbycontrol bemängelt den allzu großen Einfluss und die mangelnde Kontrolle von Lobbyisten. Zu Recht?

Teilweise haben sie sicher Recht. Wenn die Person, die Interessen vertritt mit derjenigen, die darüber entscheidet, identisch ist, dann ist das ein Problem. Wenn also Abgeordnete selbst auf der Gehaltsliste von Verbänden oder anderen Lobbyorganisationen stehen. Das ist so, wie wenn vor Gericht Anwalt und Richter dieselbe Person sind.

Volker Kitz: Du machst, was ich will. Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks, Ariston Verlag, 19,99 Euro. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Kommt das denn so oft vor?

Nein, weil es als anrüchig gilt. Aber Lobbycontrol hat Recht mit seiner Kritik daran, dass das überhaupt möglich ist. Jeder Abgeordnete darf nebenbei Lobbyist sein. 

Unter der aktuellen Bundesregierung hätten die Lobbyisten "freie Fahrt", behauptet Lobbycontrol. Stimmt das? Hatten sie es unter Rot-Grün schwerer?

Das sehe ich nicht so. Das Problem der Abgeordnetenbestechung ist in der Tat seit vielen Jahren ungeklärt, aber nicht erst seit 2009. Illegal ist nur der konkrete Stimmenkauf, also wenn ein Abgeordneter Geld dafür erhält, dass er so oder so abstimmt. Nicht strafbar ist es, das generelle Wohlwollen eines Abgeordneten zu erkaufen. Er darf Geld oder Geschenke annehmen. Das unterscheidet Deutschland von anderen Ländern. Alle Parteien wollen das seit Jahren ändern, haben das aber bisher nicht geschafft. 

Und warum nicht?

Weil es nicht ganz so einfach ist, wie es scheint. Viele Abgeordnete sind zum Beispiel Anwälte, die Mandanten betreuen, die wiederum eigene politische Interessen haben. Die Offenlegung dieser Mandanten kollidiert aber mit der anwaltlichen Schweigepflicht.

Sponsoren der politischen Elite
Vorstand Heinrich Deichmann Quelle: dpa
Screenshot der Gubor-Internetseite Quelle: Screenshot
Rotkäppchen-Produkte Quelle: APN
Schild mit dem Logo von EADS Quelle: dapd
Bundesparteitag der Grünen Quelle: dapd
CDU-Parteitag Quelle: CDU
Eine Aspirin-Tablette mit dem Bayer-Logo Quelle: dpa

Ihr Buch, in dem Sie von ihrer Arbeit als Lobbyist berichten, heißt "Du machst was ich will". Machen denn unsere Politiker wirklich immer, was Lobbyisten wollen?

Der Wille irgendwelcher Lobbyisten wird immer politisch umgesetzt, und der von anderen nicht. Alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten ihre Interessen, manchmal gewinnen die einen, manchmal die anderen. Da herrschen oft falsche Vorstellungen. Die Tabak-Lobby wird oft als sehr mächtig dargestellt. Dabei gehören Tabakprodukte zu den am strengsten regulierten. So mächtig kann sie also nicht sein. Auch die berüchtigte Atom-Lobby kann so mächtig nicht gewesen sein. Die Atomwirtschaft ist praktisch abgeschafft.

"Auf Sympathie kommt es an"

Welche Firmen die Parteikassen füllen
Profiteuere und Gönner: Auf 1.378.992 Euro summieren sich 2011 die Großspenden von Unternehmen an die Parteien im Deutschen Bundestag. Zu den Großspenden gehören Summen über 50.000 Euro, sie müssen sofort veröffentlicht werden. Wir stellen die Unternehmen vor, die ihr Scheckbuch dieses Jahr gezückt haben und zeigen, wie viel sie während der schwarz-gelben Regierung schon insgesamt nach Berlin überwiesen haben. Zu den Spendern gehören... Quelle: dpa
...die Reutax-AG, internationaler Personaldienstleister mit Sitz in Heidelberg. Sie spendete seit dem Antritt der schwarz-gelben Regierung 2009 und 2011 jeweils 50.500 Euro an die Liberalen. Quelle: dpa
NRW-Metall spendete 60.000 Euro an die CDU. Der Verband vertritt die Interessen der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen. 2010 flossen 60.000 Euro an die FDP und 160.000 Euro an die CDU. Quelle: ap
Die private Berenberg Bank in Hamburg: Das Geldhaus spendet nahezu jedes Jahr an die CDU. Zur Zeit der schwarz-gelben Regierung waren es 2011 und 2010 je 100.000 Euro. Quelle: PR
Deutschlands größter Versicherer Allianz spendete jeder Partei im Bundestag 50.001 Euro, ausgenommen den Linken. Insgesamt flossen dieses Jahr 250.005 Euro. Ein ähnliches Paket gab es bereits 2010 - unter der Regierung Merkel gingen also insgesamt 540.010 Euro von München nach Berlin. Quelle: AFP
Die Südwestmetall gehört zu einer der größten Spendern mit einem Gesamtvolumen von 295.000 Euro für 2011. Der größte Profiteuer ist eindeutig die CDU: 100.000 Euro flossen sie und an den Koalitionspartner FDP 75.000 Euro. Grüne und SPD erhielten je 60.000 Euro von dem Interessenverband von Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg. In der vergangenen zwei Jahren der Regierung Merkel flossen jeweils noch 200.000 Euro (2010) und 100.000 Euro (2009) an die Christdemokraten. Quelle: ap
Fast schon traditionell ist die Spende von Daimler nach Berlin. Über 150.000 Euro konnten sich jeweils die Schatzmeister der Sozialdemokraten und der CDU freuen, dieselbe Summe floss auch 2010 an die beiden Parteien. Quelle: dpa

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass es das viel zitierte Allgemeinwohl, auf das sich Politiker gerne berufen, und auch eine objektive Gerechtigkeit gar nicht gibt. Wird man als Lobbyist  zum Zyniker? Verliert man den Glauben an das demokratische System?

Nein. Was man als Lobbyist macht, ist ja gerade der Kern der Demokratie, nämlich dass unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen ihre Interessen artikulieren und in den politischen Prozess einbringen. In jedem Gesetzgebungsprozess ist vorgesehen, dass die Betroffenen anzuhören sind. Ein Verband bekommt ganz offiziell von einem Ministerium einen Gesetzentwurf, weil das so vorgeschrieben ist. Da ist nichts Geheimes dabei. Das ist gelebte Demokratie. Das Problem gerade bei Organisationen wie Lobbycontrol ist, dass Lobbyismus nur in Verbindung mit Wirtschaftsinteressen wahrgenommen wird. Das ist ein Denkfehler. Alle gesellschaftlichen Gruppen machen Lobbyarbeit.

Sie sehen auch Greenpeace und Amnesty International als Lobby-Organisationen.

Selbstverständlich. Aber auch den Mieterbund, die Gewerkschaften, die Kirchen. Das wollen viele Menschen, auch Journalisten, zwar nicht sehen, aber da arbeiten genauso hauptamtliche Lobbyisten wie bei Wirtschaftsverbänden. Und die sind auch oft erfolgreich. Der Wegfall der Praxisgebühr zum Beispiel war ein großer Lobbyerfolg von Patientenverbänden.

Wie können Lobbyisten Politiker beeinflussen? Gibt es da Geheimrezepte?

Sachliche Argumente sind nur sehr selten wirksam. Man erlebt ja fast nie, dass ein Politiker nach einer Diskussion sagt: Sie haben mich überzeugt, jetzt habe ich meine Meinung geändert. Als ich damals als Lobbyist anfing, musste ich schnell lernen, dass man mit einem Argument kaum weiter kommt, weil es immer ein Gegenargument gibt. Wie kommt man dennoch weiter? In der Politik wie im sonstigen Leben gilt der Grundsatz: Wen man mag, dem hilft man. Auf Sympathie kommt es an, auch wenn das viele bestreiten und behaupten werden, es gehe ihnen nur um die Sache.

Die geheimen Clubs der Wirtschaftselite
Capital ClubNur gegen Aufnahmegebühr und Jahresbeitrag darf im Capital Club getroffen werden.Gäste: Joschka Fischer, Roland Pofalla, Klaus WowereitAdresse : Mohrenstraße 30, 10117 Berlinwww.berlincapitalclub.de Quelle: Pressebild
Airport Club Quelle: Presse
Deutsche Parlamentarische Gesellschaft Quelle: Deutscher Bundestag/Siegfried Bücker
Soho House, Berlin Aus dem Ur-Soho-House in London stammt der Grundsatz für Mitglieder: No bankers, no lawyers. In der City der Neunziger war das ein Erdbeben, in der Berlin ist nichts leichter als das. Gäste: Hierher kommen Modedesignerwie Michael Michalsky, Jungunternehmerwie Jan-Henrik Scheper-Stuke, Chef des Krawattenlabels Edsor Kronen, oder Schauspieler wie Heike Makatasch. Und Madonna? War auch schon da. Adresse: Torstraße 1, 10119Berlinwww.sohohouseberlin.com
Business-Club Schloss Solitude Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche
Kieler Yachtclub Der Club hieß bis 1918 Kaiserlicher Yachtclub, hier war die wilhelminische Elite, Industrielle und Adlige Mitglied. Auch die Mitglieder der Familie Krupp aus Essen. Vor dem an der Kieler Förde gelegenen Clubhaus, das seit 2007 dem ThyssenKrupp-Konzern gehört,  ist die alte Krupp-Yacht „Germania VI“ vertäut, mit dunkelgrünen Rumpf. Gäste: Zur Kieler Woche im Juni ist der Yachtclub noch heute gesellschaftlicher Treffpunkt deutscher und vor allem skandinavischer Industriemanager.www.kyc.de Quelle: Screenshot
Union Club in der Villa MertonIn der neobarocken Villa Merton gelegen, suchen die Mitglieder des Union Club in sicherer Entfernung vom Rummel des Bankenviertels Kontakt zu Entscheidern aus Industrie und Finanzwelt..Gäste : Air-Berlin-Chefpilot Hartmut Mehdorn schaut hin und wieder vorbei. Auch der ehemalige Vorstandssprecher und spätere Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, kommt gerne her. Gleiches gilt auch für den US-Generalkonsul in Frankfurt, Edward Alford.Adresse: Am Leonhardsbrunn 12, 60487 Frankfurthttp://www.union-club.com/ Quelle: Presse

Lobbyarbeit besteht also aus der Erzeugung von Sympathie?

Es geht um menschliche Beziehungspflege. Die Politiker und Ministerialbeamten haben ganz normale menschliche Bedürfnisse. Man braucht nicht die großen Geldkoffer. Abgesehen davon, dass das illegal wäre, und das Geld auch gar nicht da ist, weil die Unternehmen sparen.

"Das Anerkennungsbedürfnis füttern"

Wo Politiker und Wirtschaftsbosse plauschen
Blick auf das Hotel Adlon in Berlin Quelle: dpa/dpaweb
Il Punto Quelle: Presse
Soho House Quelle: Presse
China Club Quelle: Pressebild
AignerHerbert Beltle bietet Platz zwischen den Tischen und bodenständige Küche. Gäste: Klopse und Schnitzel für Gerhard Schröder, Schäufele mit Rieslingkraut für Silvio Berlusconi, Brandenburger Bauernente für Wladimir Putin.Adresse: Französische Straße 25, 10117 Berlinwww.aigner-gendarmenmarkt.de Quelle: Pressebild
Capital ClubNur gegen Aufnahmegebühr und Jahresbeitrag darf im Capital Club getroffen werden.Gäste: Joschka Fischer, Roland Pofalla, Klaus WowereitAdresse : Mohrenstraße 30, 10117 Berlinwww.berlincapitalclub.de Quelle: Pressebild
Grill Royal Quelle: Pressebild

Konkret?

Eine Ministerin liebt Sie schon, wenn Sie ihr einen guten Zahnarzt empfehlen. Ich habe erlebt, wie das für einen direkten Zugang zu ihr ausgereicht hat. Wenn man beim Abendessen mit einem Abgeordneten erfährt, dass die kleine Tochter mit Grippe im Bett liegt, sollte man beim nächsten Treffen nachfragen, ob sie sich von der Grippe erholt hat. Wenn eine tragfähige menschliche Beziehung besteht, hat man auch ein offenes Ohr füreinander. Sich nur zu melden, wenn man Forderungen hat oder etwas braucht, funktioniert nicht.

Haben Sie denn auch mal auf Granit gebissen, wenn jemand gar nichts mit Ihnen zu tun haben wollte?

Nein. Die meisten Kontakte sind ja solche zu Referenten in Ministerien oder Abgeordnetenbüros. Deren Telefonnummern stehen im Internet. Da ruft man an, stellt sich vor und sagt, dass man am selben Thema arbeitet. Ich habe in all den Jahren nie erlebt, dass jemand abweisend war. Mindestens ein Drittel der Kontakte gingen sogar von der anderen Seite aus. Die müssen ja auch Gesetze machen über Themen, von denen sie keine Ahnung haben.

Und wie setzt man dann, wenn man sich sympathisch ist, die eigenen Interessen durch?

Grundsätzlich gilt, dass man Menschen, die man mag, gerne was Gutes tut. Was aber auch gut funktioniert ist das Füttern des Anerkennungsbedürfnisses: Man präsentiert einen Vorschlag zu einem bestimmten Thema, den man seinem Gesprächspartner dann zur freien Verfügung überlässt, damit er damit in seinem Ministerium oder Ausschuss glänzen kann. Viele Leute sind dankbar, wenn man ihnen Dinge liefert, mit denen sie sich profilieren können.

Muss man als Lobbyist an die Ziele seines Auftraggebers glauben?

Es wäre sehr anstrengend, gegen seine Überzeugungen zu arbeiten. Übrigens kann ein Lobbyist durchaus auch nach innen in seiner Organisation wirken.

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