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Ex-„Superminister“ Wolfgang Clement im Interview „Ich bin und bleibe Sozialdemokrat, allerdings einer ohne Parteibuch“

Wolfgang Clement. Quelle: imago images

Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement über alternative Wege aus der Krise, die Verstaatlichung von Banken, die Rolle von Konjunkturpaketen und sein Verhältnis zur SPD.

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Dieses Interview mit dem mittlerweile verstorbenen Politiker Wolfgang Clement wurde im Februar 2009 geführt und erschien damals in der WirtschaftsWoche.

WirtschaftsWoche: Herr Clement, hätten Sie sich je vorstellen können, dass eine Bundesregierung die Verstaatlichung einer Bank erwägen könnte?
Wolfgang Clement: Nein, spätestens seit Beginn der Sechzigerjahre war das für niemanden mehr ein Thema...

...ist es aber jetzt. Was würden Sie anstelle des neuen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg heute tun?
Ich betrachte die Frage heute rein instrumentell, nicht ideologisch. Es geht schlicht darum, das Bankensystem wieder in Gang zu setzen. Der Weg dorthin ist keine Frage der Wirtschaftspolitik, sondern des Handwerks. Es kann sein, dass man dazu die Hypo Real Estate verstaatlichen muss. Das ist aber kein Tabubruch und nichts, was über den Moment hinausreicht.

Das sehen die Steuerzahler, die dafür finanziell bluten müssen, bestimmt anders.
Ziel aller Eingriffe ist die Funktionsfähigkeit des Geld- und Kreditsystems. Durch die zeitweilige Verstaatlichung werden vor allem die Steuerzahler geschützt. Die Aktionäre haben mit dem Verlust ihres Vermögens bitter für die Fehlleistungen der Banker und etlicher anderer Beteiligter bezahlt. Dagegen muss das Engagement des Staates, das zeigt der Fall Schweden, am Ende nicht unbedingt negativ ausgehen.

Ist es wirklich Aufgabe des Staates, die Commerzbank zu stützen, damit diese der Allianz die marode Dresdner Bank abkaufen kann?
Es bringt derzeit nichts, über Fehler der Banken zu richten. Es gilt, das System zu retten...

Wolfgang Clement setzte als Schröders Superminister die Hartz-Reformen um, sicherte der Wirtschaft Boomjahre, brachte die SPD aber um viele Stammwähler. Dann trat Clement selbst aus. Nun ist er gestorben. Ein Porträt.

...aber ist es dann auch an der Zeit, um mit Steuergeldern den Kauf von Continental durch Schaeffler zu unterstützen?
Schaeffler argumentiert zu Recht, ein Opfer der Finanzkrise zu sein. Erst finanzieren die Banken den Deal mit Continental, und dann verlangen sie Sicherheiten, die – nach ihrem eigenen Absturz – den heutigen Wert der beteiligten Unternehmen weit überschreiten. Eigentlich bräuchte es deshalb gar nicht des Staatshaushaltes. Stattdessen sollten die derzeit vom Staat in Schutz genommenen Banken, die sich sachlich in der gleichen Lage wie Schaeffler und Conti befinden, für eine allen Beteiligten gerecht werdende Lösung sorgen, etwa durch eine zweijährige Aussetzung ihrer Zinsforderungen.

Wann sollte sich der Staat aus den Banken zurückziehen?
So schnell wie möglich. Politiker, Analysten und Wissenschaftler überbieten sich zurzeit allerdings darin, alles schwärzer zu malen, als es nötig ist. Wir können die Krise aber verkürzen, wenn es gelingt, die Stimmung ins Positive zu wenden.

Sorgen dafür nicht die Konjunkturpakete?
Da muss sehr viel mehr passieren. Politiker haben offenbar noch immer nicht gelernt, dass ihre Aufgabe nicht in erster Linie im Geldausgeben besteht. In einer Krise, wie wir sie jetzt erleben, muss man alles tun, um gefesselte Kräfte freizusetzen. Jetzt brauchen wir den Befreiungsschlag für weniger Bürokratie. Jetzt ist die Chance, dass die Bundesländer ihr Übermaß an Behörden abbauen und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Jetzt müssen wir den Investitionsstau im Kraftwerksbau beseitigen...

...Sie selbst haben da als Bundeswirtschaftsminister auch nicht viel erreicht.
Ja, ich habe auf diesem Feld viele Niederlagen erlitten. Aber wann, wenn nicht in einer solch kritischen Situation wie jetzt, bietet sich die Chance, etwas zu bewegen? Wir müssen den gegenwärtigen Druck nutzen, um die unzähligen, brachliegenden Potenziale zu heben. Deutschland muss schneller werden.

Zum Beispiel?
Ein Feld ist die gegenwärtige Föderalismusreform. Der Eindruck, dass hier etwas passiert, ist falsch. Das ist alles nur Kosmetik. Wir müssen schnellstens die Zahl der Bundesländer von 16 auf 5 bis 6 reduzieren.

Woran scheitern wir denn politisch ständig?
Ganz klar, an den Ministerpräsidenten, die so gut wie ungebremst Macht auf allen Politikfeldern ausüben. Das politische Prestigedenken und die Kleinstaaterei kosten uns zu viel, das geht von der Aufrechterhaltung der Landesbanken bis hin zu unzähligen überflüssigen Behörden. Hier könnte man Milliarden freisetzen.

Das klingt nicht nach Sofortmaßnahmen. Was raten Sie konkret Ihrem neuen Nachnachfolger im Amt des Bundeswirtschaftsministers?
Schnellstens die Energiepolitik zu ändern. Wir erlauben uns in Deutschland die teuerste Energiepolitik der Welt. Kein Land setzt so einseitig auf erneuerbare Energie wie wir. Wir steigen aus der Kernenergie und bald auch aus der Kohle, auch aus der absolut wettbewerbsfähigen Braunkohle aus. Wenn sich nicht schnell etwas ändert, wird hier von 2013 an kein einziges Kohlekraftwerk mehr gebaut. Um uns herum ist das anders. Wir nehmen unterdessen in Kauf, dass die Strompreise explodieren, dass in Nordrhein-Westfalen die letzte Zinkhütte geschlossen hat, dass die Aluminiumindustrie langsam dichtmacht und dass im Spezialstahl nicht mehr investiert wird. Das heißt, wir forcieren die De-Industrialisierung.

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