Die bemerkenswerte Zunahme der Netto-Ersparnis des Unternehmenssektors ist eine Folge des verhaltenen Wachstums der Investitionen (ohne Wohnungsbau), das nicht mit dem Anstieg der Gewinne schritthielt. Die Ersparnis der privaten Haushalte bewegt sich ebenfalls auf hohem Niveau. Die Haushalte haben schon seit einigen Jahren auf die Senkung der gesetzlichen Rentenansprüche mit einer Erhöhung des Vorsorgesparens reagiert und lassen sich bislang auch vom extrem niedrigen Zinsniveau nicht abschrecken.
In ihrem jüngsten Bericht empfiehlt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Deutschland Maßnahmen für eine Stärkung der Binnennachfrage und Erhöhung der Attraktivität des Dienstleistungssektors, um auf eine Abnahme des Leistungsbilanzüberschusses hinzuwirken. Davon erhofft sie sich weltweit positive Ausstrahlungseffekte und eine Unterstützung der notwendigen Anpassungen in Defizitländern, die so mit geringeren Kosten in Form von Produktionseinbußen verbunden wären.
Empfohlen werden Maßnahmen zur Ankurbelung der Investitionstätigkeit, zum Beispiel Regulierungsreformen, die die Marktzutrittsschranken im Dienstleistungssektor verringern. Mit der Beseitigung von Hindernissen für die Vollzeitbeschäftigung von Frauen würden Armutsrisiken reduziert, was einen Rückgang des Vorsorgesparens begünstigen könnte. Rentenreformen, die die Lebensarbeitszeit verlängern, würden ebenfalls zu einer geringeren jährlichen Sparquote führen, da dadurch die Zahl der Jahre steigen würde, während der die Haushalte ihre Alterseinkommen absichern können.
Gegen diese wirtschaftspolitischen Empfehlungen ist kaum etwas einzuwenden. Zu bezweifeln ist aber, dass sie kurzfristig wirken werden. Nur auf mittlere und längere Sicht sind einige Faktoren auszumachen, die auf einen niedrigeren Überschuss in der Leistungsbilanz hinwirken werden. So ist das Sparverhalten der privaten Haushalte aus unserer Sicht keineswegs in Stein gemeißelt.
Das herrschende Niedrigzinsumfeld ist eine schwere Belastung für die Sparer, und je länger es anhält, desto stärker wird sein Einfluss sein. In Umfragen wie beispielsweise dem GfK-Konsumklima ist ablesbar, dass die Sparneigung der privaten Haushalte in den vergangenen Monaten auf den tiefsten Stand seit mehr als 30 Jahren gesunken ist.
Daneben werden die ungünstigen demografischen Trends bald ihre Schatten vorauswerfen: In den nächsten 15 Jahren erreichen mit den geburtenstarken Jahrgängen rund 20 Millionen Menschen in Deutschland das Rentenalter. Nach Umfragen will ein hoher Prozentsatz der älteren Arbeitnehmer sogar gerne vorzeitig in Rente gehen oder nur mit reduzierter Arbeitszeit bis zum Rentenalter im Job bleiben. Nur gut jeder Vierte will bis zur Rente voll erwerbsfähig bleiben.
Daraus dürfte sich eine substantielle Veränderung des Sparverhaltens ergeben: Eine große Zahl von erwerbstätigen Sparern wird Jahr für Jahr ins Lager der „Entsparer“ wechseln, oft sicherlich schon einige Jahre vor Beginn des eigentlichen „Ruhestands“. Damit wird sich der Sparüberschuss in Deutschland sukzessive reduzieren und sein „Spiegelbild“, der Leistungsbilanzüberschuss, wird abgebaut werden. So wie die Demografie den Aufbau der hohen deutschen Überschüsse in den vergangenen Jahren begünstigt hat, so wird sie in einigen Jahren auch für deren Abbau sorgen.