F35-Tarnkappenbomber Die Regierung will beim Bomber-Kauf keine Rücksicht auf die Industrie nehmen

Der nächste Pannenflieger? Um die alten Tornados der Luftwaffe zu ersetzen, hat Ministerin Lambrecht die Anschaffung amerikanischer F-35-Tarnkappenjets bekannt gegeben. Einem vertraulichen Bericht des Pentagons zufolge plagen den Kampfjet nicht weniger als 845 Probleme, Tendenz steigend. Quelle: imago images

Die Bundesregierung setzt klare Planken für den Einkauf der neuen F35-Kampfflugzeuge. Zum Nachteil der deutschen Rüstungsbranche.

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Wer zahlt, bestimmt! So lautet die aktuelle Leitlinie offenbar gerade nicht, wenn Deutschland in den USA auf militärische Einkaufstour geht. Die Bundesregierung beschafft den F35-Tarnkappenbomber, aber sie hat dabei offenbar keinen Sinn für die Interessen der deutschen Industrie. Man wolle deren Beteiligung am Großauftrag erst nach der Kaufentscheidung für den F35 verhandeln, heißt es in einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Sie liegt der WirtschaftsWoche vor. 

Darin übergeht die Regierung endgültig eine zuvor ungewöhnlich harsch geäußerte Kritik großer deutscher Rüstungsunternehmen. Sie richtete sich gegen den Verhandlungsstil von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). 

Das Vorpreschen der Rüster ist dabei so etwas wie die Spitze eines Bergs aus Zweifeln, der sich angesichts der militärischen Zeitenwende von Kanzler Olaf Scholz seit Monaten aufbaut. Erst verfolgte eine zähe Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine die Bundesregierung, dann war man sich in der Ampel uneins über den Verwendungszweck des neuen Sondervermögens für die Bundeswehr. Schließlich scheint es auch nach dem mühsam abgerungenen Beschluss des neuen Geldtopfs zu zahlreichen Problemen zwischen dem Parlament, der Ministerin und ihrem eigenen Haus zu kommen. Jüngst rügte sogar der Bundesrechnungshof die Planungen des neuen Sondervermögens. Viele Projekte mussten erst einmal vertagt werden. Dazu kommen grassierende Infrastrukturprobleme an den Truppenstützpunkten, die sich so einfach nicht lösen lassen werden. Lässt man jetzt also auch noch die heimische Industrie links liegen?

von Max Biederbeck, Rüdiger Kiani-Kreß

Lambrecht verhandelt federführend den Kauf der neuen Kampfflugzeuge direkt mit dem Weißen Haus. Wo andere F35-Länder wie Italien oder die Schweiz von Beginn an auf die Beteiligung nationaler Unternehmen pochten, hält sich die Bundesregierung allerdings betont zurück. Hierzulande befürchten Rüster deshalb, beim US-Einkauf der Flugzeuge auf der Strecke zu bleiben. Es geht ihnen um wertvolle Aufträge zur Bereitstellung von Ersatzteilen, die Wartung der Maschinen und technisches Know-how. Lambrecht riskiere den Verlust „wichtiger Schlüsseltechnologien“ und damit die deutsche Autonomie und Souveränität in Rüstungsfragen, kritisierte etwa Gerardo Walle vom Nürnberger Rüstungsunternehmen Diehl. Wer erst nach dem Kauf verhandeln wolle, lasse sich die Konditionen diktieren.

Dennoch werde die Beteiligung der Industrie in Deutschland erst „nach einer parlamentarischen Beschaffungsentscheidung betrachtet und ausgestaltet“, heißt es jetzt in der Antwort der Bundesregierung. Unternehmen stehe es dann frei, sich an öffentlichen Ausschreibungen im Kontext des F35-Programms zu beteiligen. Weiter schreibt die Regierung, der US-amerikanische Hersteller Lockheed Martin plane Anfang 2023 „einen Industrietag“, um die deutsche Rüstungsbranche über mögliche Beteiligungen am F35-Programm zu informieren.

von Max Biederbeck, Rüdiger Kiani-Kreß

Noch im Dezember will der zuständige Haushaltsausschuss laut der Antwort über die Kaufentscheidung beraten. Insgesamt 35 Maschinen will die Bundesregierung für einen Preis zwischen 3,5 und fünf Milliarden Euro aus dem Sondervermögen finanzieren. „Industriepolitik spielt für die Ampel dabei keine Rolle“, kritisiert der CSU-Haushaltspolitiker Reinhard Brandl. „Die Bundesregierung überlässt die Entscheidung über die Anteile aus der nationalen Wertschöpfung der amerikanischen Industrie“, kritisiert er. „Ich befürchte, das wird nicht gut ausgehen.“

In Regierungskreisen gibt man sich streitwillig. Deutsche Rüstungsunternehmen hätten sich in der jüngeren Vergangenheit nicht als zuverlässiger Bereitsteller großer Waffensysteme bewiesen und würden jetzt plötzlich die große Kritik auf den Tisch packen, heißt es. „Wir müssen jetzt endlich einmal weiterkommen und die Herren werden dann ihre Chance schon erhalten“, mahnt ein hochrangiger Regierungsvertreter.

Die Ampel verfolgt trotz mehrerer Großeinkäufe in den USA weiterhin das Ziel, bald 35 Prozent der Bundeswehrausrüstung aus europäischen Rüstungskooperationen zu beschaffen. Dies unterstreiche man aktuell durch Projekte wie der Eurodrohne, dem Seefernaufklärer (MAWS) und dem neuen europäischen Kampfflugzeug (FCAS), heißt es in der Antwort der Bundesregierung. 

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Bei den deutsch-französischen Verhandlungen zum gemeinsamen Kampfflieger hatte es vergangene Woche nach zähen industriellen Verhandlungen tatsächlich einen Durchbruch gegeben. Dort kann jetzt die nächste Programmphase in der Entwicklung beginnen. 2040 soll das System einsatzbereit sein.

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