Facebook-Gesetz Maas soll Gesetz gegen Hass im Netz verwerfen

Justizminister Maas will Hass im Netz eindämmen. Doch handwerkliche Mängel an seinem Gesetz könnten ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Nicht nur die Opposition droht, den SPD-Politiker auflaufen zu lassen.

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Von allen Seiten Kritik: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Quelle: dpa

Berlin Auf den letzten Metern könnte ein wichtiges Gesetzesvorhaben der Großen Koalition scheitern – und der SPD eine Blamage bescheren. Denn ihr Justizminister Heiko Maas (SPD) ist der Urheber des sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), mit dem soziale Netzwerke gezwungen werden sollen, hasserfüllte und hetzerische Beiträge schnell zu entfernen.

Von Facebook und Co. zu verlangen, eindeutig strafbare Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen, in komplizierteren Fällen bleiben sieben Tage, scheint auf den ersten Blick tatsächlich ein sinnvoller Ansatz zu sein. Auch, dass bei systematischem Versagen der sozialen Netzwerke Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro drohen. Doch die Tücken des Gesetzes stecken im Detail – und sind für Kritiker teilweise so gravierend, dass das ganze Vorhaben noch scheitern könnte.

Bislang ist geplant, den Maas-Entwurf nach einer Experten-Anhörung, die heute im zuständigen Rechtsausschuss des Bundestages abgehalten wird, Ende des Monats und damit kurz vor der parlamentarischen Sommerpause zu beschließen. Gelingt das nicht, muss das Gesetzesvorhaben in der neuen Legislaturperiode neu angeschoben werden. Dass es soweit kommt ist nicht ausgeschlossen.

„Der jetzige Entwurf kann so nicht verabschiedet werden. Er macht sich nicht mal die Mühe einer Abwägung gegenüberstehender Grundrechte. Eine Privatisierung des Rechts, indem den Unternehmen diese Aufgabe übertragen wird, können wir nicht mittragen“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses Renate Künast (Grüne) dem Handelsblatt.

Künast kritisierte, dass Kritiker mit ihren Vorbehalten gegen die angestrebte Regulierung sozialer Netzwerke nicht ausreichend Gehör gefunden hätten. „Die größte Schwäche des Gesetzes ist das Hauruckverfahren“, sagte die Grünen-Politikerin. „Wir regeln sehr grundlegende Dinge für die digitale Welt und lassen uns nicht mal Zeit für eine breite Diskussion und sorgfältige Auswertung der Anhörung. Schon jetzt mauscheln die Vertreter der Koalition in Hinterzimmern weiter. Was sie ändern wollen, ist unklar.“

Auf ebensolche Korrekturen dringt auch die CSU, andernfalls will sie den Minister auflaufen lassen. „Maas kommt in letzter Minute mit einem handwerklich fragwürdigen Gesetz um die Ecke. Von Gründlichkeit und Ausgewogenheit kann keine Rede sein“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der „Bild am Sonntag“. „Deswegen muss Maas zu grundlegenden Änderungen durch die Koalitionsfraktionen kurz vor Torschluss bereit sein, sonst wird er scheitern.“


Bundestagsjuristen: Gesetz könnte verfassungswidrig sein

Was Scheuer genau geändert haben möchte, sagte er nicht. Dabei wird seit Monaten über die Mängel des Gesetzes diskutiert. Für Künast beispielsweise liefert der Gesetzentwurf keine genaue Definition für die Regelung, wonach „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssten. Für die im Gesetz vorgesehene 7-Tage-Löschfrist für rechtswidrige Inhalte fehle zudem eine „verfassungsfeste Begründung“. Unklar sei außerdem, wie zu Unrecht gelöschte Inhalte wieder hergestellt werden können und ob es einen Richtervorbehalt für das Auskunftsrecht für Opfer von Hasspostings über deren Absender gebe.

Wegen der Unklarheiten im Gesetz sind sogar Bundestagsjuristen skeptisch. In einem Gutachten werten sie die einige Bestimmungen als Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit, der „nach Abwägung der erörterten Belange nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt“ erscheine.

Wie Künast geben auch die Juristen zu bedenken, „dass es schon bei der begrifflichen Abgrenzung der zu löschenden rechtswidrigen Inhalte und strafbaren falschen Nachrichten („Fake News“) erhebliche Schwierigkeiten“ gebe. „Orientierungshilfen, Beispiele oder Hinweise auf ausgewählte Beispiele für offensichtlich rechtswidrige, rechtswidrige oder strafbare Inhalte werden im Gesetzentwurf nicht angegeben.“ Es werde lediglich auf einen Monitoring-Bericht von jugendschutz.net zu Löschgeschwindigkeit und –umfang hingewiesen mit dem Ergebnis: Es werde zu langsam und zu wenig gelöscht.

Dagegen wären aus Sicht der Parlamentsjuristen „zur ordnungsgemäßen Beurteilung der Gefahr durch die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren falschen Nachrichten („Fake News“) aber Angaben über Zahl, Entwicklung der Fälle und Studien über die vermuteten destruktiven Wirkungen äußerst hilfreich“. Diese würden jedoch nicht angegeben. „Offenbar“, resümieren die Experten in ihrem Gutachten, „lassen auch hier Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten kaum aussagekräftige Angaben und Wirkungsanalysen zu.“

Ähnlich argumentiert die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). In einer dem Handelsblatt vorliegenden Stellungnahme für die Sachverständigenanhörung zu dem Gesetz am heutigen Nachmittag im Bundestag empfiehlt sie, den Gesetzentwurf zu verwerfen. „Nötig ist ein von Grund auf neuer Anlauf, um die Bekämpfung strafbarer Inhalte in sozialen Netzwerken rechtlich zu regeln, was zunächst eine umfassende Problemanalyse voraussetzt.“

Den vorliegenden Gesetzentwurf hält die Organisation jedenfalls für ungeeignet, um gegen „Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte“ vorzugehen. Stattdessen griffen die vorgesehenen Maßnahmen „unverhältnismäßig“ in die Presse- und Meinungsfreiheit ein und könnten die Kommunikationsfreiheit im Internet „nachhaltig beschädigen“.


Bundesdatenschützerin rüffelt Maas

Auch Wirtschaftsverbände, Netzaktivisten und Nichtregierungsorganisationen warnen Maas vor Gefahren für die Meinungsfreiheit und einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Zudem fürchten viele, dass aufgrund der knappen Fristen und hohen Strafen Inhalte überhastet entfernt werden. In diese Richtung argumentiert nun auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff.

In einer dem Handelsblatt vorliegenden Stellungnahme für eine Expertenanhörung des Bundestags-Rechtsausschusses am kommenden Montag in Berlin, sieht Voßhoff durch den Gesetzentwurf von Maas wichtige Grundrechte infrage gestellt. Beim Vorgehen gegen die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten im Internet müsse nicht nur eine „sorgfältige Abwägung“ mit dem Grundrecht der sich äußernden Person auf Meinungsfreiheit, sondern auch mit ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erfolgen. Dem werde aber der Gesetzentwurf „nicht vollumfänglich gerecht“.

Voßhoff kritisiert etwa die erweiterten Befugnisse für die Plattformanbieter bei der Weitergabe von Bestandsdaten von Nutzern ihres Angebots an private Dritte, womit „eine Übermittlung bei sämtlichen Verletzungen absoluter Rechte möglich“ sei. Darunter fallen insbesondere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, beispielsweise durch Beleidigung oder die Behauptung falscher Tatsachen.

Der Gesetzentwurf sehe dabei aber keine „unabhängige Prüfinstanz vor, so dass der Telemedienanbieter die gespeicherten Bestandsdaten seiner Nutzer bei jeder behaupteten Rechtsverletzung übermitteln müsste“, bemängelt die Datenschützerin. Das stelle einen „unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Nutzer auf informationelle Selbstbestimmung“ dar, betont Voßhoff. Die Behördenchefin empfiehlt daher, die vorgesehene Übermittlungsbefugnis um eine „unabhängige Vorabprüfung, „wie zum Beispiel einen Richtervorbehalt, zu ergänzen.

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