Facebook, Twitter & Co. Der schwierige Kampf gegen Fake News

Mit einer Art Facebook-Gesetz will die Große Koalition den Kampf gegen Falschnachrichten im Internet aufnehmen. Der Hamburger Datenschützer Caspar begrüßt die Pläne. Die IT-Branche läuft dagegen Sturm.

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Die Politik will härter gegen gefälschte Nachrichten vorgehen – und setzt dabei auf gesetzliche Regelungen für Internetkonzerne.

Berlin Der Plan ist in der Großen Koalition bereits abgestimmt: Nach Weihnachten wollen Union und SPD den Kampf gegen falsche Informationen im Internet aufnehmen. Dahinter steht die Absicht, Facebook und andere soziale Netzwerke per Gesetz zu verpflichten, selbst aktiv zu werden und gegen sogenannte Fake News vorzugehen.

Marktbeherrschende Plattformen sollten gesetzlich verpflichtet werden, auf deutschem Boden „eine an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden erreichbare Rechtschutzstelle einzurichten“, gab SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im „Spiegel“ die Marschrichtung vor. Dorthin sollten Betroffene sich wenden können und belegen, dass sie Opfer manipulierte Nachrichten geworden seien. „Wenn Facebook nach entsprechender Prüfung die betroffene Meldung nicht unverzüglich binnen 24 Stunden löscht, muss Facebook mit empfindlichen Bußgeldern bis zu 500.000 Euro rechnen“, erläuterte Oppermann. Zudem müsse es auf Wunsch der Betroffenen eine „Richtigstellung mit der gleichen Reichweite geben“.

Was Oppermann beschreibt, klingt plausibel. Doch wie verhält es sich mit der rechtlichen Umsetzung. Ist es überhaupt juristisch ohne weiteres möglich, Internetriesen wie Facebook oder Twitter an die Leine zu legen? Eine Einschätzung des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar weckt Zweifel, auch wenn die Politik sich mit ihren Plänen aus seiner Sicht in die richtige Richtung bewegt. In der Digitalwirtschaft regt sich indes schon jetzt massiver Widerstand.

„Auch mit Blick auf den anstehenden Bundestagswahlkampf verstehen wir die Sorge der Politik, dass falsche Meldungen die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen. Es darf aber nicht Aufgabe der Plattformbetreiber werden, über richtig oder falsch, wahr oder unwahr zu entscheiden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, dem Handelsblatt.

Die Angst vor Medien-Manipulationen hat einen realen Hintergrund. Seit dem Berichte über eine mögliche Beeinflussung der US-Wahl durch russische Hacker und der Fall der Grünen-Politikerin Renate Künast, der ein erfundenes Zitat zugeschrieben wurde, öffentlich gemacht wurden,  ist die deutsche Politik alarmiert. In rund neun Monaten steht die Bundestagswahl an.

Und die Sicherheitsbehörden teilen die Befürchtungen. Denn der Cyber-Raum ist längst nicht mehr nur Schauplatz von „klassischer“ Kriminalität, sondern auch von Spionage, Sabotage, Manipulation und gezielter Desinformation. Das gilt insbesondere für die sozialen Medien. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wies zuletzt auf einen „eklatanten Anstieg“ sogenannter Spear-Phishing-Attacken gegen Parteien und Bundestagsfraktionen hin. Präsident Hans-Georg Maaßen warnte: „Die Hinweise auf Versuche einer Beeinflussung der Bundestagswahl im kommenden Jahr verdichten sich.“


„Mit der Rechtsschutzstelle würde ein Zensurmonster geschaffen“

Doch der Teufel gesetzlicher Abwehrmaßnahmen liegt im Detail. „Mit der jetzt geforderten Rechtsschutzstelle würde ein Zensurmonster geschaffen“, warnt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. Dies wäre aus seiner Sicht „auch bei bestem Bemühen zum Scheitern verurteilt“. Selbst Gerichte scheiterten regelmäßig an der Aufgabe, zuverlässig und nachvollziehbar über den Wahrheitsgehalt von Aussagen zu entscheiden, gab Rohleder zu bedenken. „Wie soll dies einer von Unternehmen betriebenen Rechtsschutzstelle gelingen, die weder über die forensischen Mittel der Sicherheitsbehörden noch über die notwendigen Auskunftsrechte und sonstigen Möglichkeiten von Behörden verfügt?“

Auch der Verband für Internetwirtschaft eco warnte vor überzogenen Maßnahmen im Kampf gegen Hasskommentare. Die Internetkonzerne seien „keine staatlichen Erfüllungsorgane“, heißt im netzpolitischen Jahresrückblick des Verbands, der dem Handelsblatt vorab vorlag. Die Entscheidung darüber, welche Inhalte noch in den Bereich der Meinungsfreiheit fallen und welche strafrechtlich relevant sind, müsse im Zweifel bei Gerichten liegen. „Alles andere würde zu einer unkontrollierbaren Zensurinfrastruktur im Netz führen und damit eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Internet darstellen.“

Die Experten stoßen sich vor allem daran, dass von den Plattformanbietern eine Verpflichtung gefordert werde, ihre Seiten regelmäßig auf unerwünschte Inhalte zu scannen und diese eigenständig zu entfernen. „Aus Sicht der Internetwirtschaft ist dieser Vorschlag zum einen problematisch, da er suggeriert, Social Media Anbieter seien zu einer Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden nicht bereit und müssten deshalb per Gesetz gezwungen werden.“

Tatsächlich arbeiteten Anbieter jedoch an verschiedenen Stellen und im Rahmen verschiedener Kooperationsinitiativen erfolgreich mit Politik und Ermittlungsbehörden zusammen. Als Beispiel nannte der Verband die im vergangenen Jahr mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gegründete Task Force gegen Hassbotschaften.

Der Bitkom-Experte Rohleder wies überdies darauf hin, dass Hassbotschaften wie Aufrufe zu Gewaltverbrechen oder persönliche Beleidigungen und Diffamierungen bereits heute verboten seien und dagegen auf Basis des geltenden Rechts auch vorgegangen werde. Entsprechende Kommentare würden gelöscht und ihre Urheber könnten strafrechtlich belangt werden.


„Nutzer soll selbst Meldungen einschätzen und bewerten“

Rohleder mahnte zudem, Falschmeldungen von Hassbotschaften streng zu unterscheiden. „Seit jeher hat jeder Nutzer einer Plattform die Möglichkeit, dort seine eigene Sicht der Dinge darzulegen und so eine aus seiner Sicht falsche Nachricht zu widerlegen“, sagte er. Zudem könnten Falschmeldungen bei einigen der großen Plattformen gemeldet werden und es solle künftig Kennzeichnungen geben.

Rohleder spielt damit auf eine Reihe von Maßnahmen im Kampf gegen erfundene Nachrichten an, die Facebook nach Vorwürfen der Desinformation im US-Wahlkampf angekündigt hatte. Der Internet-Konzern will es seinen Nutzern künftig erleichtern, gefälschte Artikel zu kennzeichnen. Zusätzlich sollen externe Stellen Berichte auf ihre Richtigkeit hin überprüfen, wie Facebook kürzlich mitteilte. Dafür sei eine Zusammenarbeit vereinbart mit den Medien ABC News und Associated Press sowie mit der Website Snopes, die auf die Fakten-Kontrolle spezialisiert sei. Als gefälscht identifizierte Berichte würden als „umstritten“ gekennzeichnet und rutschten im Nachrichtenangebot nach unten.

Rohleder betonte jedoch: „Letztlich ist es aber jedem Nutzer selbst überlassen, Meldungen auf Basis der verfügbaren Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts einzuschätzen und zu bewerten.“ Hier sieht der Bitkom-Mann auch die Politik am Zug, dafür zu sorgen, dass die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Quellen besser vermittelt werde. „Dazu werden die Plattform-Betreiber ihren Beitrag leisten, aber gefragt sind hier vor allem die Schulen, Volkshochschulen oder Institutionen wie die Bundeszentrale für politische Bildung. Nur so bringen wir diese Kompetenzen in die Fläche.“

Der Hamburger Datenschützer Caspar unterstützt indes die Absicht der Großen Koalition härter gegen soziale Netzwerke vorzugehen, auch wenn er eine gewisse Skepsis zeigt hinsichtlich der rechtlichen Umsetzung. „Grundsätzlich begrüße ich das Ansetzen bei einer Plattformhaftung bei dieser Problematik“, sagte Caspar dem Handelsblatt. „Es darf nicht sein, dass globale Konzerne mit der Vermarktung von Daten und Informationen Milliardengewinne einstreichen, während sie die negativen Folgen „sozialisieren“, indem sie auf die Verantwortung der Nutzer verweisen und jede eigene Einstandspflicht für die Inhalte auf ihren Plattformen strikt ablehnen.“

Dieses Muster sei bereits bei Hasskommentaren (Hate Speech) deutlich geworden und dürfe sich nun nicht auch bei den Falschnachrichten (Fake News) fortsetzen, bei denen eben auch häufig Persönlichkeitsrechte Betroffener verletzt würden. 


„Das ist rechtlich alles andere als trivial"

Caspar, der unter den Datenschützern bundesweit die Aufgabe hat, sich um soziale Netzwerke wie Facebook zu kümmern, wies jedoch zugleich auf mögliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der angestrebten Maßnahmen hin. „Am Ende muss ein rechtstaatlich tragfähiges Konzept gefunden werden, dass sowohl die Meinungsfreiheit, das öffentliche Informationsinteresse als auch das Persönlichkeitsrecht Betroffener von Falschmeldungen hinreichend wahrt“, sagte er. „Das ist rechtlich alles andere als trivial und bedarf einer sorgfältigen Analyse.“

Entscheidend sei etwa, wie eine solche künftige rechtliche Verantwortung für Falschnachrichten und deren Löschung im Einzelnen ausgestaltet werden solle. „Hier liegen die Probleme tatsächlich im Detail.“ Geklärt werden müsse etwa, so Caspar, was genau Fake News seien und unter welchen Bedingungen diese gelöscht werden müssten. Auch welche Betreiber zur Einrichtung von Meldestellen verpflichtet werden sollen, sei eine offene Frage. Der Gesetzgeber müsse zudem prüfen, wie weit die Pflichten eines Plattformbetreibers reichten, dem Hinweis auf Falschmeldungen nachzugehen, diese zu analysieren und gegebenenfalls zu löschen.

Für eine etwaige Regelung relevant sei überdies, in welcher Weise sich Betroffene gegen eine Löschung zur Wehr setzen und welche Stelle sie hiergegen anrufen könnten. Zudem müsse die Frage beantwortet werden, welche Stelle schließlich die Arbeit der Meldestelle überprüfen und durch die Verhängung von Bußgeldern Verstöße sanktionieren solle. Laut Caspar könnte dies neue juristische Fragen aufwerfen, zumal noch offen sei, auf welchen rechtlichen Regelungen die Tätigkeit der Meldestelle beruhe und ob sie mit Europarecht vereinbar sei.

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