Facebook und Hasskommentare „Wir haben erhebliche Fortschritte erzielt“

Mit Dutzenden Mitarbeitern will die Bundesregierung den Kampf gegen Hasskommentare im Internet führen. Die sozialen Netzwerke haben schon aufgerüstet und melden, wie Facebook, erste Erfolge.

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„Die Umsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist komplex.“ Quelle: AP

Am 1. Oktober 2017 tritt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft. Danach müssen soziale Netzwerke unter anderem Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte deutlicher stärker in den Blick nehmen und entsprechende Inhalte schneller und konsequenter löschen. Keine einfache Aufgabe.

Die Anforderungen des neuen Gesetzes stellen die betroffenen Online-Plattformen offenbar vor große Herausforderungen. „Die Umsetzung des NetzDG ist komplex“, sagte ein Facebook-Sprecher dem Handelsblatt. „Wir haben viel Zeit und Ressourcen investiert, um dem NetzDG zu entsprechen und arbeiten hart daran, die richtigen Prozesse für die verschiedenen Bestimmungen aufzusetzen, die ab dem 1. Oktober 2017 beziehungsweise Januar 2018 gelten.” Gleichwohl teile man das Ziel der Bundesregierung, Hassrede zu bekämpfen. „Bei der Entfernung illegaler Inhalte haben wir bereits erhebliche Fortschritte erzielt“, betonte der Sprecher.

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn kontrolliert, inwieweit die sozialen Netzwerke ihre im NetzDG geregelten Pflichten auch erfüllen. Dazu zählt etwa, dass die Plattform-Betreiber ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement für den Umgang mit Beschwerden über strafbare Inhalte aufbauen und unterhalten. Wenn die sozialen Netzwerke Beschwerden nicht genügend Beachtung schenken, können sich Bürger in einem zweiten Schritt an das BfJ wenden. Ergeben sich Anhaltspunkte für Mängel im Beschwerdemanagement, prüft die Aufsichtsbehörde, ob gegen den Anbieter des betroffenen Netzwerks ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

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von Malte Fischer

Um die neuen Aufgaben bewältigen zu können, wurde die Bundesbehörde entsprechend personell verstärkt. Die Rede ist von etwa 50 zusätzlichen Mitarbeitern. Eine „Startmannschaft“ hat laut BfJ im September ihre neuen Diensträume bezogen. Bis zum Jahresende 2017 werde sie so weit aufgestockt, dass der vom Gesetzgeber angenommene Personalbedarf gedeckt ist. Das Bundesamt sei für die Umsetzung des Gesetzes „auf seine neuen Aufgaben gut vorbereitet“, sagte der Staatssekretär Bundesjustizministerium, Gerd Billen, dem Handelsblatt.

Billen verteidigte die neuen Regeln zugleich gegen Kritik. „Das Gesetz ist ein ganz wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Fake News in sozialen Netzwerken. Wir werden die Rechtsdurchsetzung im Netz damit entscheidend verbessern“, sagte Billen. Mit dem Inkrafttreten des NetzDG würden die Rechte der Betroffenen gestärkt, die sich gerichtlich oder durch Strafanzeige gegen strafbare Inhalte wehren wollten. „Sie bekommen künftig eine schnelle und sichere Zustellungsmöglichkeit und eine konkrete Ansprechperson bei den sozialen Netzwerken.“

Diese sogenannte individuelle Rechtsdurchsetzung gilt schon ab dem 1. Oktober. Die sozialen Netzwerke sind dann verpflichtet, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten sowie eine Person zu benennen, an die sich die deutschen Strafverfolgungsbehörden (Polizei oder Staatsanwaltschaft) mit Auskunftsersuchen wenden können. Auf entsprechende Auskunftsersuchen muss dann innerhalb von 48 Stunden geantwortet werden. Bei Verstößen gegen die Vorgaben kann das Bundesamt ein Bußgeldverfahren einleiten. Es drohen dann Geldstrafen in Millionenhöhe.


Gericht warnt vor schwierigen rechtlichen Entscheidungen

Zur vollen Wirkung kommt das NetzDG erst zum Jahresende. Bis dahin gilt eine dreimonatige Übergangsregelung, nach der soziale Netzwerke ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement aufbauen oder ein bestehendes Beschwerdemanagement verbessern können. Wenn eine nach dem 1. Januar 2018 bei einem sozialen Netzwerk eingereichte Beschwerde nicht ordnungsgemäß bearbeitet wird, kann der Sachverhalt beim BfJ angezeigt werden. Eine Ordnungswidrigkeit liegt dann vor, wenn eine systemisch falsche Entscheidungspraxis des sozialen Netzwerks festzustellen ist.

Das NetzDG sieht verschiedene Fristen für den Umgang mit Nutzerbeschwerden zu strafbaren Inhalten vor. Offensichtlich strafbare Inhalte sollen demnach binnen 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden. Über andere gemeldete Inhalte müssen die Netzwerkbetreiber unverzüglich, in der Regel innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde, entscheiden.

In schwierigen Fällen kann die Frist auch überschritten werden. Auch wenn das soziale Netzwerk eine Entscheidung über das Löschen oder Nichtlöschen auf eine vom BfJ anerkannte Einrichtung der „Regulierten Selbstregulierung“ überträgt. „Die Möglichkeit, in bestimmten, vor allem komplizierteren Fällen von der strikten 7-Tages-Frist abzuweichen, soll auch sicherstellen, dass das soziale Netzwerk nicht versehentlich Inhalte sperrt oder löscht, die nicht rechtswidrig sind“, heißt im BfJ.

Einen Haken hat die Umsetzung des NetzDG aber dennoch. Beim Bonner Amtsgericht, das in strittigen Fällen für eine Prüfung eingeschaltet werden soll, ist man weit entfernt davon, gerüstet zu sein. Es sei überhaupt nicht absehbar, in welchem Umfang Verfahren auf das Gericht zukommen, sagte die Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann dem Bonner „Generalanzeiger“.

Zudem rechnet sie damit, dass man es künftig mit teilweise schwierigen rechtlichen Entscheidungen zu tun bekomme. Denn es sei ein Unterschied, ob jemand eine Politikerin eine Schlampe nenne, was klar eine Beleidigung darstelle, oder ob ein Gedicht wie das von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten zu bewerten sei.

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