Fachkräfteeinwanderung Das Gesetz wird den Mangel nicht mindern

Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister, im Bundestag vor der Abstimmung zum Asyl- und Aufenthaltsrecht. Quelle: dpa

Horst Seehofer nennt das Gesetz historisch: Doch die Voraussetzungen, damit Menschen von außerhalb der EU zum Arbeiten nach Deutschland kommen, sind zu hoch. Die Last, Fachkräfte anzuwerben, wird Unternehmen aufgebürdet.

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Dass man vorsichtig sein sollte, wenn Politiker eine Entscheidung historisch nennen, bewies zuletzt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): Er sprach von einer „historischen Weichenstellung“ hin zu einer modernen Migrationspolitik – und meinte auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das der Bundestag nun beschlossen hat.

In die Geschichte eingehen dürfte daran allerdings bestenfalls, dass die Union sich nach mehr als 20 Jahren überhaupt dazu durchgerungen hat, ein Gesetz anzustoßen, das das Wort Einwanderung im Titel trägt. Hätten Wirtschaftsverbände, Unternehmer und Firmenlenker nicht immer wieder geklagt, sie fänden in Deutschland nicht genug Menschen, um alle Stellen zu besetzen, wäre es wahrscheinlich nicht einmal dazu gekommen.

Ansonsten wird das Gesetz viel weniger verändern, als Seehofers große Worte glauben machen wollen. Zugegeben, eine Erleichterung gibt es: Zukünftig muss nicht mehr nachgewiesen werden, dass für eine bestimmte Stelle wirklich kein Deutscher oder EU-Bürger infrage kommt, und zwar unabhängig davon, ob in dem Beruf ein von der Arbeitsagentur festgestellter Mangel herrscht.

Für Menschen von außerhalb der EU bleibt es allerdings viel zu schwierig, zum Arbeiten nach Deutschland einzuwandern. Die Erwartung, den Fachkräftemangel wenigstens abzumildern, wird mit diesem Gesetz nicht erfüllt werden.

Kein Wunder, denn die Regeln sind streng: Künftig sollen beispielsweise nicht nur Akademiker, sondern auch Facharbeiter mit einem Visum nach Deutschland kommen dürfen, um einen Job zu suchen. Dafür müssten sie aber die Standards einer deutschen Ausbildung erfüllen – das ist schwer möglich, da es Ausbildungen in Betrieb und Berufsschule in anderen Ländern oft nicht gibt.

Für junge Leute, die sich für eine Ausbildung in Deutschland interessieren, sind die Schwierigkeiten ähnlich beschränkend: Sich seinen ausländischen Schulabschluss als einem deutschen gleichwertig anerkennen zu lassen, wird kompliziert. Besondere Regeln gelten außerdem für Menschen, die älter als 45 Jahre sind: Sie brauchen ein Mindestgehalt oder eine andere angemessene Altersvorsorge.

All das wird nicht einladend auf gut ausgebildete Menschen im Ausland wirken, sondern bürokratisch, zu schwer zu verstehen und wenig attraktiv. Nicht nur Deutschland wirbt um Fachkräfte – und die werden sich im Zweifel für das Land entscheiden, das es ihnen leicht macht, eine interessante Stelle anzunehmen.

Unternehmen und Handwerksbetrieben wird das Gesetz daher nicht die ersehnte Erleichterung bringen. Zumal es auch für eine bestimmte Gruppe, die sie bereits beschäftigen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum sicherer wird: Flüchtlinge, die Arbeit haben, aber kein dauerhaftes Bleiberecht.

Zwar sollen die eine Beschäftigungsduldung erhalten können. Die Regelung ist aber bis Ende 2023 begrenzt und ihrerseits mit hohen Voraussetzungen versehen. Die Unternehmerinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“ nennt sie bereits eine „Mogelpackung“ – die Unternehmer aus Baden-Württemberg, darunter Vaude-Chefin Antje von Dewitz, fürchten, dass ihre Mitarbeiter abgeschoben werden, bevor sie diesen Aufenthaltsstatus erreichen können.

Vor allem aber fehlt der Bundesregierung eine Strategie, wie man Fachkräfte außerhalb von Europa erreichen und anwerben will. Es bräuchte eine Initiative, zusammen mit den deutschen Botschaften, Goethe-Instituten und Auslandshandelskammern. Erfolgversprechend wäre außerdem, gemeinsam mit Unternehmen Menschen nach Deutschland zu holen, damit sie hier eine Ausbildung machen oder fehlende Qualifikationen nachträglich erwerben. Pläne dazu fehlen bislang.

Damit wird die Last den Unternehmen aufgebürdet, die im Ausland nicht nur für sich werben, sondern auch mit der oft langwierigen Bürokratie helfen müssen. Für Konzerne ist das zu stemmen. Kleinen und mittelgroßen Unternehmen wird das kaum gelingen.

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