Fachkräftemangel Schafft den Girls' Day ab – und führt einen MINT-Month ein

Frauen und Technik passen hervorragend zusammen, wie Kanzlerin Angela Merkel hier beispielsweise beim Besuch der Hannover Messe 2014 zeigt. Quelle: dpa

Einmal im Jahr sollen Mädchen ausprobieren, wie spannend Technik sein kann. Girls’ Day heißt die Aktion – die umso überholter wirkt, je größer der Fachkräftemangel wird. Es ist Zeit für einen MINT-Month. Auch für Boys. Ein Kommentar.

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Wenn es um Wissenschaft geht, widmet sich Angela Merkel (CDU) gerne Detailfragen. Etwa bei „Pamela“. Wie die denn nun genau funktioniert, will die Kanzlerin am Mittwoch von Hana, Clara und Silja wissen. Die drei Schülerinnen des Berliner Heinrich-Hertz-Gymnasiums erklären via Videoschalte, dass die kleine Maschine vor ihnen auf dem Tisch Aluminium- und Plastikdeckeln mithilfe Künstlicher Intelligenz sortiert, „Pamela“ ist dabei die Abkürzung für „Plastic Aluminium sorter with Machine Learning“. „Tolle Sache“, sagt Merkel am Ende „so etwas habe ich noch nicht gesehen gehabt.“ Die Mädchen winken.

Mehr als eine halbe Stunde nimmt sich Merkel Zeit für Schülerinnen, die ihr Digitalprojekte präsentieren. Es ist der Auftakt zum Girls’ Day, der an diesem Donnerstag zum 20. Mal stattfindet. 2001 wurde er gestartet, um Mädchen zu zeigen, wie spannend Technik sein kann. Doch die Aktion wirkt inzwischen so aus der Zeit gefallen wie die „Topmodels“ von Heidi Klum.

Ein rosiger „Girls’ Day“ wird nichts retten 

Zunehmend gefährdet der MINT-Fachkräftemangel die Wettbewerbsfähigkeit und Cybersicherheit Deutschlands. Absolventen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft und Technik werden händeringend gesucht: Ende 2020 waren 86.000 IT-Stellen unbesetzt, bis zu sechs Monate dauert es, eine passende Bewerberin oder einen passenden Bewerber für diesen Bereich zu finden, sechs von zehn Unternehmen gehen nach einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom sogar davon aus, dass sich dieser Mangel künftig noch verschärfen wird – ein rosiger „Girls’ Day“ wird da wenig retten.

Weiterhin entscheiden sich vergleichsweise wenige Frauen für ein IT-Studium oder einen Technikberuf. Nur rund 20.000 der rund 78.000 Informatikstudenten waren 2019 weiblich, ein Anteil von rund 25 Prozent, der sich in den vergangenen Jahren kaum gesteigert hat. Ändern wird sich das aber ganz sicher nicht deshalb, weil Maschinen „Pamela“ heißen oder es iPads in Roségold gibt.

Ein MINT-Month für die Mittelstufe

Die freie Berufswahl ist im Grundgesetz fest verankert und ein zentraler Bestandteil der Demokratie. Doch gerade deshalb muss Schülerinnen und Schülern bereits früh die Chance gegeben werden, sich intensiv mit MINT-Berufen zu beschäftigen, damit sie diese Wahl umso souveräner treffen können – ein einzelner Schnuppertag reicht dafür nicht aus.

Vielmehr sollte ein ganzer MINT-Month ins Curriculum der Mittelstufe aufgenommen werden, bei dem in Unternehmen, Forschungseinrichtungen und anderen Institutionen MINT-Berufe ausprobiert werden können – und zwar von Girls wie Boys.

Pipeline-Problem bei Führungspositionen

Hemmschwellen können so abgebaut, Begeisterung geweckt, Vorbilder getroffen werden. Dadurch lässt sich gerade mit Blick auf die weiblichen IT-Fachkräfte das Pipeline-Problem angehen, das sicher nicht der einzige, aber durchaus ein Grund für den Mangel an Frauen in Führungspositionen im IT-Bereich ist.

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Um gerade Mädchen möglichst früh zu begeistern für die Digitalisierung, muss sich die nächste Regierung deshalb Gedanken machen über einen Digitalpakt Kita sowie Informatik als Pflichtfach an den Schulen. Gewiss, Bildung ist Ländersache, doch kann es sich Deutschland mit Blick auf seine digitale Souveränität nicht leisten, sich quasi nur tageweise mit Technik zu beschäftigen – ein ganzer MINT-Monat wäre schon ein erster Fortschritt. Profitieren würden davon Mädchen wie Jungen, Wirtschaft wie Wissenschaft, denn allein mit „Brain Gain“ aus dem Ausland wird die Fachkräftelücke nicht zu schließen sein.

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