Fack ju Noten! Privatschulen boomen – für wen lohnt sich der Wechsel?

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Üppig alimentiert vom Staat

Die Probleme des Geschäftsmodells Privatschule ergeben sich aus dem besonderen deutschen Regelwerk, das es nahezu unmöglich macht, sehr viel Schulgeld zu verlangen. Schulen haben einen erstaunlich prominenten Platz im deutschen Rechtssystem. Im Grundgesetz ist ihnen – gleich nach dem Schutz der Ehe – ein eigener Passus gewidmet. So schreibt Artikel 7 das Recht zur Gründung privater Schulen fest.

Damit wollten die Väter der Bundesrepublik verhindern, dass das Schulsystem noch einmal zur Instanz der massenhaften Indoktrination wie während des Dritten Reichs würde – und kirchliche Schulen stützen.

Betreiber privater Schulen. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Üppige Zuschüsse vom Staat

Bis heute werden Privatschulen deshalb üppig vom Staat alimentiert, die Länder zahlen zwischen 60 und 90 Prozent ihrer Kosten. Zugleich schafft das Grundrecht eine hohe Hürde: Der Betrieb von Privatschulen ist zu gewährleisten, solange „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Mit anderen Worten: Elternbeiträge sind erlaubt, aber nur in engen Grenzen. Das macht eine Elitenbildung, wie sie manche Eltern sich wünschen, quasi unmöglich. Umgehen kann man dieses Verbot der sozialen Auswahl per Schulbesuch daher nur an sogenannten Ergänzungsschulen: Die genießen keine öffentliche Förderung, dürfen im Gegenzug aber Beiträge in unbegrenzter Höhe verlangen. Zu diesen zählen viele Internationale Schulen. An Ergänzungsschulen kann auch kein gewöhnlicher deutscher Schulabschluss wie das Abitur erlangt werden. Stattdessen erhalten die Schüler hier ein International Baccalaureate, das in vielen Ländern zum Studium berechtigt – so auch in Deutschland.

Die Länder mit der höchsten Akademikerquote
Platz 10: IrlandBevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 39,7 ProzentIm Jahr 2012 haben knapp 40 Prozent der Iren zwischen 25 und 64 Jahren eine universitäre Ausbildung. Das resümiert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (kurz: OECD) in ihrem Bildungsbericht 2014. Deutschland hingegen schafft es nicht unter die Top Ten: Nur 28 Prozent haben einen Tertiärabschluss – also ein abgeschlossenes Studium oder einen Meister. Der OECD-Durchschnitt liegt dagegen bei knapp 33 Prozent. Quelle: AP
Platz 9: NeuseelandBevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 40,6 ProzentDie weltweite Finanzkrise hat sich in Neuseeland nicht wirklich bemerkbar gemacht: Während die Zahl der Studenten in vielen Industriestaaten zwischen 2008 und 2011 zurückgegangen ist, steigt sie in Neuseeland weiter an und liegt bei knapp 41 Prozent. Im Jahr 2011 investieren neuseeländische Studenten im Durchschnitt knapp 11.000 US-Dollar in ihre Hochschulausbildung. Quelle: dpa
Platz 8: GroßbritannienBevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 41,0 ProzentA-Level-Studentin Tabitha Jackson (r.) freut sich mit ihren Kommilitoninnen über ihren Abschluss am Brighton College. 41 Prozent der britischen Bevölkerung hat einen Hochschulabschluss. Ein Studienjahr in Großbritannien kostet rund 16.000 US-Dollar. Quelle: REUTERS
Platz 7: AustralienBevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 41,3 ProzentEin Surfer springt mit seinem Brett in die Wellen vor Sydney. Auch „Down Under“ hat eine gut qualifizierte Bevölkerung, die deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegt: 41,3 Prozent der Erwachsenen haben einen Universitätsabschluss. Pro Jahr muss ein australischer Student etwa 16.000 US-Dollar für seine Ausbildung zahlen. Quelle: AP
Platz 6: KoreaBevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 41,7 ProzentJunge koreanische Studentinnen feiern ihren Abschluss an der privaten Sookmyung Universität in Seoul. In Korea haben 41,7 Prozent der erwachsenen Bürger einen Hochschulabschluss. Ein Studienjahr kostet knapp 10.000 US-Dollar. Quelle: dpa
Platz 5: USABevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 43,1 ProzentVon allen 30 untersuchten Staaten ist ein Studium in den USA am teuersten: Rund 26.000 US-Dollar muss ein Student dort pro Jahr an einer Universität zahlen. Dennoch kann fast jeder zweite Erwachsene einen Hochschulabschluss vorweisen. Auf diesem Foto ist der Campus der Georgetown University in Washington zu sehen. Quelle: AP
Platz 4: IsraelBevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss: 46,4 ProzentDieses Bild zeigt die israelische Universität Beerscheva, die auch als Ben-Gurion University of the Negev bekannt ist. Auch Israels Bevölkerung ist mit einem Anteil von 46,4 Prozent Hochschulabsolventen überdurchschnittlich gut ausgebildet. Pro Jahr investiert ein israelischer Student im Durchschnitt knapp 12.000 US-Dollar in seine Ausbildung. Quelle: dpa

Die meisten privaten Schulen stürzt das sogenannte „Sonderungsverbot“ in ein Dilemma. Es beschränkt ihre Einnahmequellen so sehr, dass sie versuchen müssen, Räume und Personal so effizient wie möglich zu nutzen. Das aber kostet sie Attraktivität, da viele Eltern private Schulen gerade wegen der kleinen Klassen auswählen. Der Großteil der privaten Schulen in Deutschland arbeitet deshalb nicht gewinnorientiert, sondern wird von Elternvereinen oder Kirchen getragen, so auch in Berlin.

Kinder entscheiden selbst, was sie lernen

Härter könnte der Kontrast nicht sein. Rund vier Kilometer von der denkmalgeschützten Backsteinfassade der Phorms-Schule entfernt werden die Schüler der Evangelischen Schule Berlin Zentrum von der graffitibunten Fassade eines ausrangierten Wohnwagens begrüßt. Auch das dahinterliegende Schulgebäude ist hoch bis zur zweiten Etage bemalt. Auf einer Mauer vor der Schule sitzen Maxi Strauch und Joe Zeiler und erwarten ihre Töchter. „Das herkömmliche Schulsystem ist so strukturiert, dass es früh um Selektion geht“, sagt Strauch. „Ich wollte nicht, dass mein Kind auf eine Schule geht, die das Prinzip der auf Ellenbogen basierten Leistungsgesellschaft vermittelt.“

Können Sie diese PISA-Aufgaben lösen?

Dafür ist an der Evangelischen Schule gesorgt: Kommt ihre Tochter Linda morgens dort an, entscheidet sie ganz allein, was sie lernen will. Benötigt sie Hilfe, fragt sie ihre Mitschüler. Erst wenn die nicht mehr weiterwissen, geht sie zum Lehrer. Ihre Lernfortschritte trägt die 13-Jährige in ein Logbuch ein, Noten gibt es erst ab der neunten Klasse. Tests schreibt sie nur, wenn sie sich ausreichend vorbereitet fühlt.

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