Luftverschmutzung durch Diesel Welche Städte von Fahrverboten betroffen wären

Diesel-Fahrverbote würden die Mobilität, wie etwa hier auf der Corneliusstraße in Düsseldorf, erheblich einschränken. Quelle: dpa Picture-Alliance

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet am Donnerstag über Diesel-Fahrverbote. Millionen Fahrzeughalter bangen um ihre freie Fahrt, die Kommunen fürchten Verkehrsprobleme.

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Am Donnerstag wird sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Fall Deutsche Umwelthilfe gegen Bezirksregierung Düsseldorf befassen. Der Streitpunkt: Dieselfahrverbote. Die drohende Verkehrs-Apokalypse sähe so aus: Falls das Gericht der Bezirksregierung Fahrverbote für die Düsseldorfer Innenstadt auferlegt, würde das mehr oder weniger automatisch auch in allen anderen Großstädten des Landes gelten.

Die Luft würde zwar sauberer, die Belastung mit dem Giftgas Stickstoffdioxid fiele unter den EU-Grenzwert. Aber ein Fahrverbot hieße eben auch: Millionen Menschen kämen nicht mehr wie gewohnt zur Arbeit. Autos würden auf einen Schlag um mehrere Milliarden Euro im Wert gemindert. Insgesamt betroffen, so ergibt eine exklusive Auswertung der Daten des Kraftfahrtbundesamts, wären 2,8 Millionen Fahrer älterer, schmutziger Diesel der Abgasnormen 1 bis 5.

Entsprechend groß ist die politische Panik vor dem Tag der Entscheidung. ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker warnt vor "Enteignung" von Dieselbesitzern. Dezenter im Ton, aber ähnlich düster in der Sache, spricht auch Horst Seehofer. Das städtische Leben würde "quasi lahmgelegt", sagt der CSU-Chef. Der volkswirtschaftliche Schaden ginge in die Milliarden.

In den betroffenen Städten malt man sich die Zukunft ebenfalls in dunklen Farben aus. "Die Besucher, die sich frei aussuchen können, wo sie ihr Geld ausgeben, werden Düsseldorf wohl erst mal fernbleiben", sagt Georg Berghausen, Geschäftsführer der örtlichen Industrie- und Handelskammer. Im schlimmsten Fall, so Berghausen, könnte dieser "psychologische Effekt" unmittelbar nach dem Urteilsspruch einsetzen. Eines aber macht dann doch stutzig an den Erzählungen vom unvermeidlichen Fahrverbot und seinen furchtbaren Folgen: Sobald es konkret wird, erweisen sich die Belege als bedrohlich dünn.

Wann genau die Verbote in Kraft treten werden? "Das muss die Politik entscheiden", sagt IHK-Mann Berghausen, der die identische Antwort gibt, wenn man ihn nach den konkreten Ausmaßen der Verbotszone oder Kontrollen fragt. "Wir kümmern uns um die Lösungen." Remo Klinger, Anwalt der Umwelthilfe, rechnet zwar mit "baldigen Fahrverboten", aber Genaueres weiß auch er nicht: "Fahrverbote könnten durch Gerichtsverfahren oder auch durch Untätigkeit der Kommunen noch herausgezögert werden."

Zu allem Überfluss gibt es noch keine Konzepte für eine wirksame Überwachung von Fahrverboten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt vor "unrealistischen Erwartungen an die Polizei" im Zusammenhang mit den drohenden Dieselfahrverboten. "Wegen der angespannten Personalsituation bei der Polizei", sagte Arno Plickert, Geschäftsführender Bundesvorstand der GdP, "wird eine flächendeckende Kontrolle von Dieselfahrverboten unmöglich sein."

Und so steuern die Kommunen auf ein Chaos zu: Nicht flächendeckend werden womöglich ältere Diesel ausgesperrt, sondern nur in manchen Städten, zu bestimmten Zeiten und nach unterschiedlichen Regeln.

Stuttgart

In keiner anderen deutschen Stadt werden die Strickoxid-Grenzwerte so deutlich und an so vielen Messstationen überschritten. Entsprechend weitgehend ist auch das Sperrkonzept, das hier diskutiert wird. Aus dem Entwurf des Luftreinhalteplans ergibt sich die Sperrung von rund einem Dutzend Straßen für Dieselautos. De facto würde diese Sperrung allerdings dazu führen, dass der Innenstadtkessel zumindest von drei Seiten für Dieselautos nicht mehr zugänglich wäre.


Dennoch gibt es auch in Stuttgart noch viele Hürden, die einer solchen Sperrung einen Teil ihres Schreckens nehmen könnten. So wird zum einen diskutiert, die Straßen nur für ältere Dieselfahrzeuge (bis Euro 5) zu sperren, außerdem könnte sich das Fahrverbot auf die wenigen Tage mit "Feinstaubalarm" beschränken. An solchen Tagen mit absehbar hoher Luftbelastung durch Feinstaub versucht die Stadt schon jetzt, die Autofahrer davon zu überzeugen, ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen. Da die Tage mit hoher Feinstaubbelastung oft mit einer hohen Stickoxidbelastung einhergehen, könnte schon ein Fahrverbot an diesen Tagen genügen um die Grenzwerte einzuhalten.

Interessant ist zudem, dass der Stuttgarter Luftreinhalteplan als einziger die absehbaren Schwierigkeiten bei der Kontrolle des Fahrverbots erwähnt. Die Anzahl der Verstöße müsse in die Evaluation mit einbezogen werden. Wenn die Verbote also nicht beachtet werden, dann kann, so die Überzeugung der Stuttgarter Entscheidungsträger, die Lösung nicht in einer großflächigen Kontrolle des eher harmlosen Vergehens liegen - sondern in der Abschaffung.

Völlig unklar ist in Stuttgart noch, wann mögliche Fahrverbote in Kraft treten könnten. Ein Sprecher des Umweltministeriums Baden-Württemberg teilt mit, man werde "das Urteil abwarten und es dann in den Diskussionsprozess mit einbeziehen." Ein konkretes Datum für die Umsetzung gibt es noch nicht.

Auf der nächsten Seite: Was Düsseldorf, Hamburg, Berlin und dem Ruhrgebiet bevorsteht

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