Die Hängepartie um Fahrverbote für Diesel-Autos in Großstädten geht weiter. Das Bundesverwaltungsgericht vertagte am Donnerstag die von Millionen Diesel-Fahrern und der Autoindustrie mit Spannung erwartete Entscheidung. "Wir sehen noch erheblichen Beratungsbedarf", sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Er will nun am Dienstag verkünden, ob solche Verbote wegen der hohen Stickoxid-Belastung in Ballungsräumen zulässig sind.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die dies einklagen will, zeigte sich zuversichtlich: "Es ist alles noch offen, wir sind aber deutlich optimistischer", sagte DUH-Chef Jürgen Resch in Leipzig. Die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die gegen die Urteile ihrer Verwaltungsgerichte zu Gunsten von Fahrverboten in Revision gingen, halten die folgenreiche Maßnahme ohne bundesweite Regelung dagegen für unzulässig. Auch sie erkannten beim Richter Sympathie für ihre Haltung. Man habe den Senat zum Nachdenken gebracht, sagte Baden-Württembergs Anwalt Wolfram Sandner. "Ich halte dies für ein gutes Zeichen."
Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass der Fall zunächst den Europäischen Gerichtshof beschäftigt. Die Frage, ob nationale Rechtsfragen hinter dem EU-Recht zurückträten, könnte auch dort geklärt werden, was über ein Jahr dauern könnte. Damit rechnen die Prozessparteien aber nicht. "Wir gehen fest davon aus, dass das Gericht selbst entscheiden wird", sagte DUH-Chef Resch. Er verwies darauf, dass Richter Korbmacher selbst auf die Dringlichkeit hingewiesen habe, die EU-Grenzwerte beim Stickoxid einzuhalten. In der Tat hatte Korbmacher betont, dass dem EuGH wegen der anhaltenden Grenzwert-Überschreitungen allmählich der Geduldsfaden reißt. Die Vorschriften in der EU gelten schon seit 2010. "Wir befassen uns mit der Frage sehr ernsthaft: Was verlangt das Unionsrecht?", sagte er.
Die Luftbelastung nimmt zwar ab, ist aber in 70 Städten immer noch zu hoch. Dabei fordert das Gesetz bei Verstößen Gegenmaßnahmen. Die EU-Kommission sei jedenfalls nicht für den Stadtverkehr zuständig, das sei Sache der Behörden vor Ort, erklärte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Die EU-Vertragshüterin hat gegen Deutschland und neun weitere EU-Staaten bereits ein Vertragsverletzungsverfahren laufen. Die Behörde steht kurz vor einer Klage gegen Deutschland vor dem EuGH. Die Unsicherheit über mögliche Fahrverbote hat das ohnehin durch den VW-Abgasskandal ramponierte Image der Selbstzünder noch mehr beschädigt. Kunden ziehen beim Neuwagenkauf immer häufiger Autos mit Benzinmotoren vor.
Das bringt die Autoindustrie in die Bredouille bei den strengeren Vorschriften für Kohlendioxid (CO2) in der EU. Denn die verbrauchsärmeren Diesel-Autos stoßen weniger Klimagas aus als solche mit Otto-Motor. Sollte der EuGH sich länger damit beschäftigen, ob Fahrverbote bundesweit geregelt werden müssen und ein verhältnismäßiges Mittel des Gesundheitsschutzes sind, dürfte die Abkehr vom Diesel weitergehen.
Wie steht es um die Auto-Nation Deutschland?
Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat vom 17. Februar 2017 bis zum 17. Februar 2018 insgesamt 118.000 Deutsche zum Thema Mobilität befragt. Die Ergebnisse wurden im Automobilreport „Deutschland auf vier Rädern“ ausgewertet.
Noch immer ist das Auto das meistgenutzte Fortbewegungsmittel in Deutschland. 67 Prozent sagen, in erster Linie mache das Auto sie mobil. Nicht einmal jeder fünfte Befragte gibt an, als Hauptfortbewegungsmittel den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, jeder Zehnte nennt das Fahrrad.
Drei von vier Befragte (75,8 Prozent) halten es für notwendig, ein Auto zu haben. Wenig überraschend: Stadt und Land weichen erheblich voneinander ab.
Von den Autobesitzern, die in der Stadt leben, denken satte 14 Prozent darüber nach ihr Auto im Laufe des nächsten Jahres abzuschaffen. Insgesamt sind es 5,6 Prozent der Befragten.
Innerhalb der nächsten zwölf Monate wollen laut Umfrage rund 14 Prozent der Deutschen ein neues Auto kaufen. Bei der Wahl des Pkw ist ihnen der Kraftstoffverbrauch am wichtigsten (36,6 Prozent), gefolgt von Ausstattungsumfang (19 Prozent) und Optik (12,4 Prozent).
Die Mehrheit der Deutschen kauft eher einen Gebrauchten (53,4 Prozent) als einen Neuwagen (35,7 Prozent). Die Civey-Umfrage zeigt aber: Je älter die Autokäufer sind, desto häufiger ist auch ein Neuwagen eine Option.
Benzin ist eindeutig die beliebteste Antriebsart (32 Prozent), wenn ein neues Auto her soll. Wohl auch in Folge der Dieselkrise liegt auf dem zweiten Platz mittlerweile der Hybrid. Jeder Fünfte (20 Prozent) zieht diesen Antrieb vor. Der Diesel liegt auf Platz drei (mit 14,4 Prozent) und schlägt damit trotzdem noch Elektro (11,2), Brennstoffzellen (8,1) und Gas (3,6).
Auch wenn derzeit noch der Benziner deutlich vorne liegt – in Zukunft kann sich mittlerweile fast jeder Zweite Deutsche (48,9 Prozent) laut der Civey-Umfrage den Umstieg auf ein Elektroauto vorstellen. Bei der Frage, ob sich Elektroautos allerdings langfristig auf dem Markt durchsetzen werden, ist man sich uneins: 46,6 Prozent der Befragten rechnen damit. 42,2 Prozent glauben nicht daran.
In Deutschland ist man dem selbstfahrenden Auto gegenüber weiterhin skeptisch. Rund 28 Prozent der Befragten können sich grundsätzlich vorstellen, sich einmal ein selbstfahrendes Auto anzuschaffen. Zwar glaubt mehr als die Hälfte (58,3 Prozent), dass selbstfahrende Autos helfen könnten, Staus zu vermeiden, aber gleichzeitig gehen rund 40 Prozent davon aus, dass selbstfahrende Autos zu weniger Sicherheit im Straßenverkehr führen werden.
Die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf hatten geurteilt, dass die Städte Fahrverbote für einzelne Straßen oder sogar die gesamte Umweltzone verhängen müssten. Die Anwälte der Länder argumentieren aber, ohne eine nur bundesweit mögliche Regel für ein entsprechendes Verbotsschild wäre die Verbannung von älteren Selbstzündern aus den Städten nicht möglich. Die DUH hält das nicht für notwendig. Korbmachers Urteil hat Bedeutung weit über Düsseldorf und Stuttgart hinaus - eben weil es insgesamt 70 Städte sind, die die EU-Grenzwerte reißen und deshalb Fahrverbote ins Auge fassen müssen. Im Jahresmittelwert sind maximal 40 Mikrogramm NOx erlaubt. Am Stuttgarter Neckartor, lange Zeit die Messstelle mit der dicksten Luft in Deutschland, sank der Wert seit Jahren auf zuletzt 73 Mikrogramm. Jetzt ist die Landshuter Allee in München Spitzenreiter bei der Luftbelastung.
Werden die Fahrverbote für zulässig erklärt, müssten sie schnellstmöglich in Kraft treten. Der Spielraum der Kommunen ist dabei stark eingeschränkt. Fahrverbote für Diesel-Autos können dann im gesamten Innenstadtbereich, in Umweltzonen oder an besonders belasteten Straßenzügen greifen und noch in diesem Jahr in Kraft gesetzt werden.
Hohe NOx-Belastung greift die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System an. Die EU führt jährlich rund 400.000 vorzeitige Todesfälle in Europa auf die Schadstoffe zurück, die maßgeblich von Diesel-Fahrzeugen stammen. DUH-Chef Resch erklärte, bei einem Diesel-Fahrverbot hätten die Autobesitzer ein Recht darauf, von den Herstellern Nachbesserung oder eine Rückgabe zu fordern. Das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg ist grundsätzlich auch für ein Fahrverbot, fordert aber eine bundesweite Regelung zu einer Blauen Plakette. Dabei würden in einigen Jahren nur neuere Diesel-Pkw mit geringeren Emissionen die Einfahrt erlaubt, für ältere gälten Fahrverbote.
"Wir wollen Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern", hat sich die nächste Bundesregierung dagegen laut Koalitionsvertrag vorgenommen. Sie plant viele alternative Maßnahmen. In der letzten Legistlaturperiode konnte sich die große Koalition nicht auf eine Blaue Plakette einigen, die SPD-Umweltministerin war dafür, der CSU-Verkehrsminister dagegen. Die Autoindustrie ist gegen Fahrverbote und hält bisher eine Nachrüstung älterer Diesel-Pkw per Software-Update auf ihre eigenen Kosten für ausreichend. "Wir sind uns mit den Koalitionären einig darin, dass Einfahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städte unbedingt vermieden werden sollen", erklärte VDA-Chef Matthias Wissmann kürzlich.
Von Reuters