Fake News Die Jäger der falschen Nachrichten

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Die Wahrheitssuche erfolgt oft mit einfachen Mitteln

Im vergangenen Dezember wird der Mörder einer Studentin gefasst. Wenige Stunden später taucht ein Zitat der Grünen-Politikerin Renate Künast auf: Sie soll der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt haben, dass man den kriminellen Flüchtling schützen müsse. An diesem Tag sitzt Andre Wolf in der Wiener Dachgeschosswohnung, in der die Zentrale von Mimikama untergebracht ist. Sein E-Mail-Postfach hat sich schon mehrfach gemeldet; etwas Größeres scheint die Runde zu machen.

Da wird das Bild von Künast und dem polarisierenden Zitat bereits im Newsfeed Tausender Menschen angezeigt. Wolf ruft in München bei der „SZ“ an. Das Zitat ist gefälscht. Wolf sucht die Stelle, wo es erstmals auftaucht.

Oft funktioniert das mit ganz einfachen Mitteln: In der Suchmaschine stellt er ein, dass die Ergebnisse mindestens 24 Stunden alt sein sollen, dann älter als 48 Stunden – bis es irgendwann nur noch ein Suchergebnis gibt: die erste Erwähnung. Ein Rechtsradikaler hatte die Aussage erfunden und auf Facebook platziert – der idealen Plattform für sensationelle Lügengeschichten.

Denn die Menschen lesen nicht nur, sie teilen auch. Selbst wer nur „Gefällt mir“ klickt oder kommentiert, sorgt dafür, dass eine Meldung auch bei den Freunden angezeigt wird.

Lange hat Facebook seine kommerziellen Interessen vor die der Nutzer gestellt. Nach massiven Protesten will das Netzwerk jetzt nicht länger als Schmuddelecke des Internets gelten. Nutzer sollen etwa künftig melden können, wenn ihnen etwas dubios erscheint. In Deutschland wird der Rechercheverbund Correctiv die gemeldeten Inhalte prüfen und im Zweifel mit einem Fake-Hinweis kennzeichnen. Doch die Kriterien dafür sind noch nicht bekannt – und bereits umstritten. Denn die Wahrheitsverzerrung wird immer vielschichtiger.

So wie die Nachricht vom 3. Januar auf der rechten US-Plattform Breitbart: Ein Mob von 1000 Flüchtlingen habe in Dortmund Deutschlands älteste Kirche angezündet. Die Meldung wurde allein auf Facebook über 17.000 Mal geteilt. Zwei Tage hält die Polizei mit einer Richtigstellung dagegen: Während des Silvester-Feuerwerks verfing sich eine Rakete in einem Baustellennetz an der Kirche. Keine Brandstiftung, sondern ein typischer Silvester-Unfall.

Die Falschmeldung hatte einen wahren Kern. Extreme Zuspitzung, angereichert mit erfundenen Details, generiert Klicks. Über 45 Millionen Menschen lesen monatlich Nachrichten auf Breitbart, doppelt so viele wie etwa beim „Wall Street Journal“. Der Chef der Plattform, Stephen Bannon, ist nun Chefstratege im Weißen Haus.

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