Familienarbeitszeit Wie die SPD Familien zum Glück zwingen will

Familienministerin Manuela Schwesig hat am Montag ihr Konzept für eine Familienarbeitszeit vorgestellt. Partner sollen sich Kindererziehung und Pflege stärker aufteilen. Aus der Wirtschaft hagelt es allerdings Kritik.

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Die Familienministerin strebt eine neue Balance zwischen Vätern und Müttern an. Quelle: dpa

Berlin Für Gerhard Schröder, den bisher letzten SPD-Kanzler, war Familie noch „Gedöns“. Das soll unter dem neuen SPD-Chef Martin Schulz, der nach der Bundestagswahl im September Kanzlerin Angela Merkel beerben will, nun anders werden. Der Familienpolitik wird ein prominenter Platz im Wahlprogramm reserviert.

Und so steht an diesem Montag Familienministerin Manuela Schwesig im Foyer der Berliner Parteizentrale und erläutert unter dem strengen Bronze-Blick von Willy Brandt die von ihr erdachte Familienarbeitszeit. Berufstätige Eltern seien vielleicht gerade mit der Kindererziehung durch, da komme der Pflegefall in der Familie. „Diesen Druck spüren viele Familien, wie wir aus den Umfragen wissen“, sagt die stellvertretende SPD-Chefin. „Und wir wollen zu einer neuen Balance kommen.“

Diese Balance sieht aus Sicht der SPD so aus, dass die Kindererziehung nicht nur an einem Partner und die Pflege von Senioren nur an einem Angehörigen hängen bleibt, sondern besser verteilt wird. Im Idealfall, so schwebt es Schwesig vor, teilen sich Partner Beruf und Familienarbeit gleichberechtigt auf. Eltern von Kindern bis zu acht Jahren sollen deshalb einen Rechtsanspruch bekommen, ihre Arbeitszeit in einem Korridor zwischen 26 und 36 Wochenstunden zu wählen.

Da die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Frauen heute bei 25 Stunden liegt, während ihre Partner meist Vollzeit arbeiten, heißt das in der Regel, dass die Frau länger arbeitet und der Mann beruflich kürzer tritt. Bis zu 24 Monate lang können Paare diese Familienarbeitszeit in Anspruch nehmen und erhalten in diesem Zeitraum monatlich 300 Euro vom Staat. Auch für Alleinerziehende oder getrennt lebende Partner gibt es je 150 Euro.

Die Prämie, die den Steuerzahler laut Schwesig eine Milliarde Euro pro Jahr kostet, soll das Modell vor allem für Eltern mit geringem Einkommen attraktiv machen. „Gedanke des Gesamtkonzeptes ist es, Vätern mehr Möglichkeiten zu geben, Zeit mit Kindern zu verbringen, und Frauen mehr Möglichkeiten zu geben, stärker als in geringer Teilzeit zu arbeiten“, erläuterte Schwesig. 60 Prozent der Paare mit kleinen Kindern wünschten sich eine solche partnerschaftliche Aufgabenteilung.

Die Familienarbeitszeit soll aber auch gelten, wenn es zu einem Pflegefall kommt. Bisher sind es vor allem die Töchter, die sich dann um Angehörige kümmern. 80 Prozent der familiären Betreuungsarbeit für Kinder und Eltern lasten laut Schwesig auf den Schultern von Frauen. Das SPD-Konzept sieht deshalb vor, dass zwei Angehörige – etwa der Sohn und die Schwester einer Demenzkranken – ihre Arbeitszeit im Korridor von 26 bis 36 Wochenstunden anpassen und gemeinsam die Pflege übernehmen. Auch für sie gibt es dann je 150 Euro im Monat vom Staat.

Außerdem sollen pflegende Angehörige eine dreimonatige berufliche Auszeit nehmen können und dafür eine Lohnersatzleistung erhalten – analog zum Elterngeld. Die Kosten für die Pflege-Pläne bezifferte Schwesig auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Die Familienarbeitszeit rechne sich aber durch höhere Steuer- und Beitragseinnahmen, ist die Ministerin überzeugt. Und eine Heimunterbringung der Pflegebedürftigen, die jetzt von Angehörigen umsorgt werden, käme mit 5,5 Milliarden Euro im Jahr deutlich teurer.  

Schwesig hatte eine erste Version der Familienarbeitszeit, die sie nun noch um den Pflegeaspekt erweitert hat, schon zu Beginn der laufenden Wahlperiode ins Spiel gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel qualifizierte den Vorschlag damals allerdings als „persönlichen Debattenbeitrag“ der Ministerin ab. In dieser Wahlperiode sei der Zug für das Vorhaben, das so aber auch nicht im Koalitionsvertrag steht, abgefahren, sagte Schwesig. Sie sei aber sehr froh, dass SPD-Chef Schulz sich ihr Konzept zu eigen gemacht habe.  


Harsche Kritik aus der Wirtschaft

Aus der Wirtschaft hagelte es allerdings Kritik an dem wieder aufgewärmten Vorschlag: „Schon heute gibt es in den Betrieben unzählige flexible Modelle, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter. Mit der Elternzeit, der Pflegezeit und der Familienpflegezeit existierten zudem bereits gesetzliche Ansprüche auf Freistellung von der Arbeit.

„Ein solches Gesetz hätte negative Auswirkungen auf das Arbeitsvolumen in Branchen mit einem hohen Maß an Vollzeitbeschäftigung, wie etwa in unserer Industrie“, fürchtet Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Erwerbstätige in der Metall- und Elektroindustrie seien häufiger als in anderen Branchen vollzeitbeschäftigt und hätten wiederum Partner, die häufiger nur teilzeitbeschäftigt seien. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte der Metallindustrie ein Arbeitszeitvolumen von umgerechnet 110.000 Vollzeitjobs jährlich verloren gehen, wenn Metaller zugunsten ihrer Partner in meist anderen Branchen ihre Arbeitszeit reduzierten.

Mehr Zeit ist für die SPD allerdings nur ein Aspekt eines familienpolitischen „Dreiklangs“. Nötig sei auch eine gute Infrastruktur für Erziehung und Pflege und eine gezielte finanzielle Entlastung. Hierbei denkt die SPD vor allem an Entlastung bei Gebühren, wie denen in Kitas: „Das ist etwas, was Familien direkt im Portemonnaie spüren, ohne dass sie einen Steuerberater brauchen“, sagte Schwesig.

Die jüngsten familienpolitischen Vorstöße der Union hält Schwesig für ein wahlkampftaktisches Manöver. CDU und CSU versuchten angesichts des Erfolgs von Schulz nun noch auf den Zug aufzuspringen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte am Wochenende einen ganzen familienpolitischen Strauß ins Schaufenster gestellt, von einem Zuschuss beim Kauf eines Kinderwagens über gebührenfreie Kitas bis hin zu Steuererleichterungen für Eltern.

„Ich glaube kein Wort und ich kann auch nur den Bürgerinnen und Bürgern raten, dem nicht Glauben zu schenken“, sagte die Ministerin zu dem Vorstoß aus Bayern. CDU und CSU hätten schon 2013 sehr viel für die Familien versprochen und davon außer der Kindergelderhöhung um zwei Euro nichts eingelöst. Alles, was in dieser Legislaturperiode für Familien getan worden sei – das Kita-Ausbauprogramm, das Randzeitenprogramm, der Steuerfreibetrag für Alleinerziehende, der höhere Kinderzuschlag, der Unterhaltsvorschuss und anderes habe die SPD „hart gegen die Union erkämpfen“ müssen. „Deshalb glaube ich nicht, dass die Union wirklich ernsthaft Verbesserungen für Familien vorschlägt", sagte die Ministerin.

Auch Sönke Rix, der familienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ist skeptisch: „Die gebührenfreie Kita hätte Herr Seehofer ja als Regierungschef in Bayern längst einführen können“, sagte er dem Handelsblatt. Da könne er sich ein Beispiel am SPD-regierten Rheinland-Pfalz nehmen. Auch bei der von Schwesig geplanten Familienarbeitszeit sei Seehofer herzlich eingeladen, sofort mitzumachen. „Sehr gut gebrüllt, Herr Seehofer, nun heißt es aber, nicht nur brüllen, sondern auch machen“, sagte Rix.

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