FDP-Bundesparteitag Lindner wirft Merkel mangelhafte Führung in Europa vor

Angela Merkel ist weltpolitisch geschwächt, sagt FDP-Chef Christian Lindner. Er fordert von der Kanzlerin mehr „Leadership“.

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Der FDP-Chef plädiert in den Beziehungen zu Russland für eine Mischung aus Härte und Gesprächsangeboten. Quelle: dpa

Berlin FDP-Chef Christian Lindner hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mangelhafte Führung in Europa bei einer Antwort auf die großen Krisen in Iran und Syrien vorgeworfen. „Jetzt ist Leadership nötig“, sagte Lindner zum Auftakt des ersten FDP-Bundesparteitags nach dem Wiedereinzug in den Bundestag am Samstag in Berlin. Bei dem Treffen stehen einige kontroverse Themen auf der Agenda. Das Handelsblatt hatte am Samstag berichtet, dass die FDP in den ersten vier Monaten des Jahres einen Spendenrückgang verzeichnet hat.

Wenn Kanzler Helmut Kohl (CDU) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1989 so zögerlich gehandelt hätten, dann „hätte es die Deutsche Einheit niemals gegeben“. Seit Monaten wartet Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf eine Antwort der deutschen Regierung, um die Integration in Europa zu stärken. Lindner fordert nach dem US-Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran einen EU-Sondergipfel nur zu dem Thema. „Der Kontinent muss seine Schockstarre überwinden.“

„Die USA sind in den Unilateralismus zurückgefallen.“ Abschottung und militärische Eskalation gewännen in der Welt an Boden. Die Liberalen hielten an Offenheit, Diplomatie und Multilateralismus fest. „Nicht weil wir naiv sind, sondern weil es die Lehre der Geschichte ist“, sagte Lindner. „Jede mögliche Antwort beginnt mit einem Wort. Und dieses Wort heißt Europa.“ Merkel habe auch eine Krise des Multilateralismus konstatiert, aber als es um eine militärische Antwort auf den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz in Syrien ging, habe sie ungefragt gesagt, Deutschland sei nicht dabei. „Die Einheit des Westens und Europas darf aber nicht in Zweifel gezogen werden, um innerhalb Deutschlands beliebt zu werden.“

Er konstatierte, Merkel sei weltpolitisch geschwächt, so werde sie anders als Macron bei Trump mit einem kurzen Arbeitsbesuch abgespeist, das sei eine „protokollarische Ohrfeige“ gewesen.

In den Beziehungen zu Russland plädiert Lindner für eine Mischung aus Härte und Gesprächsangeboten. „Russland hat seinen Platz im Haus Europa, wenn es sich an die Hausordnung hält“, sagte Lindner. „Eine Konfrontation mit Russland kann niemand, der bei klarem Verstand ist, ernsthaft wollen.“ Aber Brüche des Völkerrechts könnten nicht akzeptiert werden.

Russland müsse in den Kreis der G8-Staaten wieder eingeladen werden, vielleicht auch in einem Format G7 plus 1, sagte Lindner. Auch regelmäßige EU-Russland-Gipfel müssten wiederbelebt werden.

Mit Blick auf den internen Dissens um eine schrittweise Aufhebung der Russland-Sanktionen, wie es ein inhaltlich von Vize Wolfgang Kubicki unterstützter Antrag vorsieht, betonte Lindner: „Wir sind eine lebendige, liberale Partei. Ein Meinungsspektrum macht uns nicht schwach, sondern macht uns stark.“ Ein bedingungsloser Sanktionsverzicht bedeute aber, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Der Westen erschiene defensiv und schwach.

Lindner ging auch auf den Fall des ARD-Dopingexperten Hajo Seppelt ein, dem ein Visum für die Fußball-WM in Russland verweigert worden war. Dies müsse ein Anlass für Außenminister Heiko Maas (SPD) sein, der russischen Regierung zu erklären, „was wir unter Presse- und Meinungsfreiheit verstehen“.

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