FDP Michael Theurer ist der neue Brüderle

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Der Job wird schwierig

Eine Erfolgsgeschichte, die auch Hans Georg Näder beeindruckt. Näder leitet in dritter Generation die Otto Bock Firmengruppe, einen Hersteller von Medizintechnik und Prothetikprodukten aus dem niedersächsischen Duderstadt. Viele Jahre lang war er CDU-Mitglied, vor zwei Jahren erst wechselte er zur FDP. Näder ist ein Lindner-Fan, gerade erst hat er den Liberalen 100.000 Euro gespendet – und damit deren Aufwärtstrend auch beim Geldeinsammeln zementiert (siehe Grafik).

Doch Näder, 55, sagt zugleich: „Der wirtschaftliche Sachverstand in der Parteiorganisation kann gern noch breiter werden und tiefer gehen.“ Deswegen schätzt er Leute wie Theurer, wünscht sie sich sozusagen als Anwälte des Mittelstandes in der FDP.

Wie schwierig dieser Job sein kann, musste Theurer – im Hauptberuf Europaabgeordneter in Brüssel – Ende April beim Parteitag der Lindner-Liberalen in Berlin erfahren. Da brachte sein eigener Landesverband einen Antrag ein, um ausländische Apothekerketten zu verbieten – und scheiterte krachend. Die Parteispitze will den Medikamentenmarkt liberalisieren.

Spenden für die FDP insgesamt und Großspenden.

Theurer hatte sich in den Wochen zuvor immer wieder die Argumente vor allem älterer Apotheker angehört. Etwa von jener 61 Jahre alten Dame, die seit knapp 20 Jahren eine Apotheke in Bad Dürrheim zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb betreibt, mittlerweile mit zehn Mitarbeitern. Andrea Kanold fährt häufig bis zu 30 Kilometer am Tag, um Kunden ihre Medikamente direkt nach Hause zu bringen. Ihre Sorge: Wenn immer mehr ausländische Versandhändler in den Markt drängen, die Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, kann sie diesen Service nicht mehr leisten.

Theurer war gespalten. Theoretisch weiß er, dass es auf Dauer keine Schutzzonen für Apotheker geben kann. Dennoch wollte er in dem Streit vermitteln. Er setzte sich für eine Übergangsphase ein, in der ausländische Versandhändler verboten werden sollten.

Aber seiner Partei war das marktwirtschaftliche Prinzip wichtiger – schon aus Eigeninteresse. Denn auf keinen Fall möchte die FDP wieder als Partei dastehen, die vor allem für ihre eigene Klientel sorgt. Wie rasch der Wähler das abstraft, musste die Partei erfahren, als sie 2009 zu Beginn der schwarzgelben Koalition Steuersenkungen für Hoteliers durchsetzte, von denen einzelne große Spenden an die Partei getätigt hatten. Es war der Anfang vom Ende der Liberalen – und soll sich nie wiederholen.

Das heißt aber auch einen täglichen Zwiespalt für den neuen Brüderle, der sich auch im Coworking Space in Berlin-Mitte nachvollziehen lässt. Da fragt einer der jungen Gründer Theurer zu den Geschäftsmodellen von Airbnb und Uber, die Wohnungen beziehungsweise private Autofahrten vermitteln. Warum Deutschland diese innovativen Plattformen so streng reguliere? Aus seiner Stimme klingt Empörung.

Mittelstands-Beauftragter Theurer findet das aber ganz und gar nicht empörend. „Wer gewerbemäßig Ferienwohnungen vermietet, muss die gleichen Standards einhalten wie ein Hotelbetreiber“, erwidert er. „Warum sollten Hotels Hygienevorschriften einhalten, Anbieter auf Airbnb aber nicht?“ Theurers These: Nicht die Digitalisierung allein mache Unternehmen wie Airbnb groß, sondern zu lasche Regeln für die Internetriesen. „Das ist ein unfairer Wettbewerb“, sagt Theurer.

Von Mittelständlern hätte er dafür wohl Applaus bekommen, bei den jungen Gründern regt sich keine Hand. Darum schiebt Theurer nach, es sei schon toll, wie rasch sich durch den digitalen Wandel mit etwas Risiko hohe Gewinne erwirtschaften ließen. Da gucken die jungen Gründertypen wieder interessierter. 100 Prozent Brüderle geht in der neuen FDP halt nicht mehr.

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