FDP-Dreikönigstreffen Lindner will „Brandmauer gegen Steuererhöhungen“

Christian Lindner Quelle: AP

Weniger Kompromisse und mehr Krach wagen – die FDP will sich beim Dreikönigstreffen deutlicher von den Koalitionspartnern SPD und Grünen absetzen, die liberale Sparappelle bereits jetzt als Provokation empfinden.

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Christian Lindner wird sich auch heute wieder auf die große Bühne des Stuttgarter Staatstheaters stellen, ohne Rednerpult zum Abstützen und natürlich ohne Manuskript. Wenn der FDP-Vorsitzende das traditionelle Dreikönigstreffen der Liberalen zur Einstimmung auf das politische Jahr nutzt, redet er immer frei. Und er wird sich auch in diesem Jahr ein besonders zugkräftiges Thema heraussuchen, mit dem er die FDP in die Schlagzeilen des Tages bringen wird.

Während die Dreikönigstreffen der vergangenen Jahre oft mit Angriffen auf die Große Koalition garniert wurden, ist die FDP jetzt als Regierungspartei in einer anderen Rolle. Kritik allein kann da nicht ausreichen. Lindner wird deshalb versuchen, die Verdienste der Liberalen in der Ampelkoalition herauszustellen. In diesem Jahr kann er es aber nicht beim simplen politischen Eigenlob belassen, sondern er wird angesichts der zunehmenden Spannungen innerhalb der Koalition auch die Rolle der FDP als Hüter bürgerlicher Tugenden herausstellen – ganz nach dem Motto: Wir verhindern Schlimmeres.

FDP als Feuerwehr

Das populärste Beispiel dafür findet der Bundesfinanzminister im eigenen Haus: die Steuerpolitik. Ginge es nach SPD und Grünen, wären die Steuern für die Besserverdienenden deutlich angehoben worden. Obwohl die FDP diese rot-grünen Wünsche im Koalitionsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen hat, gibt es immer wieder Versuche, höhere Steuern mit „neuen“ Argumenten durchzusetzen – jüngstes Beispiel sind die Forderungen der SPD, den Fiskus stärker von den Erbschaften der sogenannten „Superreichen“ profitieren zu lassen. Die finanzpolitischen Zwänge der „Zeitenwende“ werden immer wieder gerne als Grund genommen, um vom Koalitionsvertrag abzuweichen. Hier will die FDP ihre Rolle als finanzpolitische Feuerwehr betonen. Man kann in Krisen- und Kriegszeiten zwar Brände nicht verhindern, aber immerhin alles tun, um ihre Ausbreitung zu begrenzen.

Gleiches gilt für die Einhaltung der Schuldenbremse, deren Nutzen SPD und Grüne trotz anderweitiger Vereinbarungen inzwischen offen bezweifeln. Anders als in den Oppositionsjahren fällt es Lindner dieses Mal allerdings deutlich schwerer, sich als Hüter solider Staatsfinanzen zu empfehlen. Nimmt man die „Sondervermögen“ und andere Schattenhaushalte des Bundes als das, was sie in Wahrheit sind, nämlich Verbindlichkeiten zulasten künftiger Generationen, dann steht ausgerechnet der FDP-Vorsitzende jetzt als Schuldenkönig da. Die Verbindlichkeiten des Bundes sind auf horrende 2,1 Billionen Euro angewachsen und Lindner wird alle Hände voll zu tun haben, um ein weiteres Anwachsen des Schuldenbergs zu verhindern.

Weg von der Rettungspolitik

Er hat sich deshalb vorgenommen, die ausufernden Hilfsprogramme der Koalition wieder zurückzuführen. Der Staat als Retter im Dauereinsatz entspricht nicht dem Leitbild der FDP und ihres Vorsitzenden. Wer glaubt, immer neue Ausgaben fordern zu können, müsse an anderer Stelle sparen, hat Lindner seinen Kabinettskollegen bereits mit auf den Weg gegeben. Immer neue Schulden werde es mit ihm ebenso wenig geben wie staatliche Einnahmeverbesserungen in Form von höheren Steuern. Weil das Wort „sparen“ in rot-grünen Kreisen aber bereits als Provokation gilt und regelmäßig mit Warnungen vor einem vermeintlichen „Kaputtsparen“ beantwortet wird, ist damit zu rechnen, dass Lindner in Stuttgart seinen Sparappell auf offener Bühne wiederholen wird. Das sorgt zwar für Ärger und Debatten, aber genau darauf zielt der FDP-Chef ab – schließlich sucht er zu Dreikönig keine Harmonie, sondern will seine Liberalen scharf gegen die beiden linken Koalitionspartner abgrenzen.

Wahljahr mit vielen Hürden

Das ist auch bitternötig, denn die Rollenverteilung innerhalb der Regierung spielt der FDP nur selten in die Hände. In der Regel laufen die Debatten nach dem Schema ab, dass SPD und Grüne sich einig sind und die FDP als Störenfried oder gar Blockierer etikettieren. Wenn es aber in einem Dreierbündnis immer 2:1 zulasten des kleinsten Partners ausgeht, kann das die Partei in eine schwierige Lage bringen. Viele Wähler haben 2021 im Vertrauen auf ein schwarzgelbes Bündnis ihr Kreuzchen bei der FDP gemacht und nehmen ihr jetzt das Eingehen eines linksliberalen Bündnisses übel. Entsprechend mau gingen in den Ländern denn auch die Wahlen nach der Bundestagswahl aus: Im Saarland und in Niedersachsen flog die FDP aus dem Landtag, in NRW und Schleswig-Holstein aus der Regierung. Zwar stehen die Liberalen in bundesweiten Umfragen mit 7 bis 8 Prozent relativ stabil dar. Schaut man aber in die Länder, in denen 2023 Wahlen stattfinden, sieht das Bild anders aus: In Bremen, Berlin und Hessen sehen die Demoskopen die Partei bei lediglich rund sechs Prozent, in Bayern sogar nur bei drei.



Wirtschaftsprofil als Chance

Lindner ist deshalb fest entschlossen, sich im politischen Wettbewerb als sichtbare Alternative zum rotgrünen Mainstream zu empfehlen. Deutlich wird das zum Beispiel bei der Energiepolitik – hier will die FDP weiter auf die Option der Kernkraft setzen und damit SPD und vor allem Druck auf die Grünen ausüben. Zwar ist dieser Ansatz in Niedersachsen schiefgegangen, wo die FDP sich in der Endphase des Wahlkampfs explizit für den Weiterbetrieb des Atommeilers Stade ausgesprochen hat. Aber angesichts explodierender Energiepreise und der Sorge vor einer Energiemangellage im Winter wollen die Liberalen nicht ohne Not auf Kernkraft verzichten. Weil auch die Mehrheit der Bevölkerung inzwischen eine Verlängerung der Atomkraftnutzung befürwortet, könnte das Thema im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs und der anhaltend hohen Energiepreise ziehen.

Ähnlich verhält es sich mit der Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Deutschland. Während die meisten EU-Staaten inzwischen auf eine Maskenpflicht verzichten, will die Bundesregierung dabei bleiben – gegen den Willen des liberalen Koalitionspartners.

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Ob es allerdings auf Dauer gut geht, innerhalb des Regierungsbündnisses ständig die Rolle der internen Opposition zu spielen, werden die Wahlen in diesem Jahr zeigen. Wenn es nach FDP-Chef Lindner geht, ist die Zeit der krisenbedingten Zustimmungsbereitschaft innerhalb der Koalition vorbei. Weniger Konsens und Kompromisse und stattdessen lieber mehr Krach wagen – das wird Lindners Dreikönigsbotschaft sein.

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