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FDP in der Krise Die schwindsüchtigen Liberalen

Ansehensverlust, sinkende Umfragewerte und vernichtende Wahlergebnisse sind nicht das einzige Problem der FDP: Der Partei laufen Mitglieder und Spender davon. Die Liberalen leiden unter politischer Schwindsucht.

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Düsseldorf Philipp Rösler ist momentan wahrlich nicht zu beneiden. Der 38-jährige ist Vorsitzender einer Partei, die in nur zwei Jahren einen kometenhaften Aufstieg und einen ebenso schwindelerregenden Absturz erlebt hat. Im Oktober 2009 war die FDP, damals noch unter ihrem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle, der sich bald als farblosester Außenminister der bundesrepublikanischen Geschichte entpuppen sollte, auf den Zenit ihrer Macht: Mit 14,6 Prozent der Wählerstimmen im Rücken strotzte die Partei vor Kraft.

Doch den Liberalen gelang es nicht, das Wahlergebnis in politische Macht und ihre Wahlversprechen umzusetzen. Die Partei leidet seitdem unter einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem, dass sich zu einer tiefen Vertrauenskrise ausgewachsen hat. Die FDP sei in „Lebensgefahr wie nie zuvor“ warnte der Altliberale Gerhart Baum am Mittwoch - und forderte nach dem Abgang von Generalsekretär Lindner auch den Rücktritt von Parteichef Rösler.

In der Tat hat die FDP mit einer Reihe von Strukturproblemen zu kämpfen, die die Existenz der Liberalen gefährlich bedrohen. Da wäre zunächst die Serie katastrophaler Wahlniederlagen: Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar konnte die FDP noch auf 6,7 Prozent zulegen - ihr bestes Ergebnis seit 1974. Danach ging es steil bergab: In Sachsen-Anhalt flog die FDP nach großen Stimmverlusten aus dem Magdeburger Landtag, im liberalen Kernland Baden-Württemberg verloren die Liberalen über fünf Prozent und schafften mit 5,3 Prozent der Stimmen nur ganz knapp den Einzug ins Landesparlament. In Rheinland-Pfalz, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin scheiterte die FDP gar an der Fünf-Prozent-Hürde. Zwischen liberaler Euphorie und Ernüchterung liegen gerade einmal zwei Jahre.

Dieselbe Entwicklung lässt sich auch an der Partei selbst ablesen: Seit 2003 lag die Zahl der Mitglieder konstant bei etwa 65.000. Im Jahr der Bundestagswahl 2009 stieg sie sprunghaft auf 72.000 an - und ist seitdem wieder kontinuierlich auf ihr Ausgangsniveau von 65.000 gefallen. Es scheint, als sei die liberale Begeisterung nur ein kurzes politisches High und keine dauerhafte Machtergreifung gewesen.


Außer Hoteliers spenden kaum noch Unternehmen für die Partei

Ebenso dramatisch ist für die Partei, dass ihr seit Beginn der schwarz-gelben Regierung nicht nur die Mitglieder, sondern auch Spender zunehmend die Gefolgschaft verweigern. Die Summe der Unternehmensgroßspenden über 50.000 Euro an die Liberalen belief sich 2011 auf knapp 240.000 Euro. 2010 waren es noch rund 450.000 Euro gewesen, 2009 sogar rund 1,66 Millionen Euro. Nicht nur die Wähler, auch die Unternehmen sprechen den Liberalen seit Regierungsbeginn offenbar ihr Misstrauen aus.

Dass das Spendenaufkommen für die FDP massiv zurückging, hat aber auch einen ganz einfachen Grund: Die Liberalen konnten sich vor dem Regierungswechsel 2009 über eine nie dagewesene Flut an Unternehmensgeldern freuen, die kaum aufrechtzuerhalten war: 2009 bezog die FDP 13,4 Prozent ihrer Gesamteinnahmen aus Spenden von Unternehmen - mehr schaffte keine andere Bundestagspartei. Die Partei warb im Wahljahr 2009 rund 5,8 Millionen Euro von Firmen ein - bis heute der absolute Spendenrekord für die Liberalen. 2008 lag der Anteil der Unternehmensspenden an den Gesamteinnahmen der FDP bei 8,4 Prozent, 2007 gar bei nur bei 5,9 Prozent. Bis zur Bundestagswahl 2009 finanzierten die Unternehmen die FDP also von Jahr zu Jahr großzügiger, doch seit dem Regierungsantritt der Liberalen erlahmte die Spendenbereitschaft der Konzerne.

Besonders ein Unternehmen hat sich vor dem Machtwechsel finanziell für die FDP engagiert - und das liberale Spendeneinkommen vor der Wahl massiv aufgebläht: Über die Düsseldorfer Substantia AG spendete die Familie von Baron August von Finck, der mehrheitlich die Mövenpick-Hotelkette gehört, 2009 nur wenige Monate vor der Bundestagswahl insgesamt 850.000 Euro an die FDP - eine der höchsten Spenden der FDP-Parteigeschichte. Schon im Oktober 2008 waren 250.000 Euro von der Substantia an die FDP geflossen. Insgesamt spendete die Firma also 1,1 Millionen Euro an die Liberalen.

Nach der Wahl senkte die schwarz-gelbe Koalition auf Drängen der FDP die Mehrwertsteuer für Hotel-Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent. Einen direkten Zusammenhang zwischen den sogenannten Mövenpick-Spenden und der politischen Entscheidung weist die FDP zurück. Trotzdem handelte sich die Partei damit erstmals Misstrauen und einen erheblichen Imageverlust ein. Seit dem Fall Mövenpick krankt die FDP an dieser Schwindsucht - Parteichef Rösler konnte die Liberalen auch als gelernter Mediziner davon nicht kurieren.

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