FDP Die Angst vor dem Mitregieren

Seite 2/3

Lindner widerstand dem Populismus, ein politisches Meisterstück

Zur Erinnerung: Es gab eine Zeit, in der so mancher Libertäre unter den Liberalen die FDP zur Anti-Euro-Gruppe umbauen wollte – vor drei, vier Jahren, als man bei „Krise“ noch an Zypern, Griechenland und immer neue Rettungspakete dachte. Wäre es etwa nach dem früheren FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gegangen, hätte die FDP damals mit der Losung „ordnungspolitische Reinheit vor europapolitischer Genscher-Nostalgie“ das Entstehen der AfD verhindern müssen. Die mitregierende Rösler-FDP jedoch lavierte, entschied sich zur Unentschiedenheit – und machte die AfD stark.

In der sogenannten Flüchtlingskrise wiederum drohte die FDP von der AfD marginalisiert zu werden. Dass Lindner dennoch der Versuchung des Populismus widerstand und sich beharrlich weigerte, Stimmen am rechten Rand abzugreifen, ist ihm daher nicht nur hoch anzurechnen, sondern auch sein erstes großes, politisches Meisterstück. Lindner markierte die FDP inmitten einer rettungslos aufgeheizten Debatte als kühle Stimme der oppositionellen Vernunft: „pro Einwanderung, pro Integration und pro Sicherung der europäischen Außengrenzen“, resümiert FDP-Vorstand Karl-Heinz Paqué zufrieden – „und zwar aus eigener Kraft und nicht zu Erdoğans Gnaden“.

Zwei Jahre nach dem Bundestags-Aus ist der Relaunch der FDP weit fortgeschritten. Parteichef Christian Lindner findet: Die Partei ist so frei wie nie zuvor. So sehen sich die neuen Liberalen.
von Dieter Schnaas

Tatsächlich führte der FDP-Chef einen beinharten Wahlkampf gegen Angela Merkel, gegen ihre „gesinnungsethischen Träumereien“ und gegen den „deutschen Sonderweg“. Aber er ließ dabei jederzeit erkennen, dass sein Wahlkampf sich nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen die Bundesregierung richtete. Jederzeit? Sagen wir: fast immer. Aus Sorge, im Strudel der Debatte unterzugehen, und im Kampf um mediale Aufmerksamkeit erlag auch Lindner zuweilen einer illiberalen Rhetorik der Abschottung, der Staatsräson und des nationalen Alleingangs. Die brisante Frage der Abgrenzung zur AfD ist also noch lange nicht erledigt für die FDP. Aber sie ist vorerst gelungen: Die FDP, so die Botschaft, begreift Deutschland weiterhin als Zuwanderungsland für Fachkräfte und Zufluchtsstätte für Schutzsuchende. Nur braucht es dafür endlich ein Einwanderungsgesetz und kontrollierte Verfahren. Der Unterschied zur AfD in einem Satz? Für Lindner ganz simpel: „Die AfD mobilisiert Abstiegsängste, wir mobilisieren Chancen.“ Die Nachwahlbefragungen geben ihm recht: Während für AfD-Wähler die Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt stand, schenkten FDP-Wähler der Lindner-Partei vor allem wegen der Themen „Wirtschaft“ und „Arbeit“ Vertrauen; die Flüchtlingspolitik nahm in der Reihe der Gründe für die Wahlentscheidung nur die vierte Stelle ein.

2. Geht es der FDP um Portenz und Posten - oder um Positionen und Prinzipien?

Das größte Problem der FDP ist ihre mangelnde Sichtbarkeit, ihre fehlende institutionelle Verankerung, ihr prekäres Personaltableau. Die Liberalen sind – von Lindner abgesehen – in Talkshows und Zeitschrifteninterviews praktisch nicht existent. Die FDP stellt keine Bundespolitiker, keinen einzigen Landesminister. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kann die Partei nun wieder Regierungsverantwortung übernehmen. Aber soll sie das auch? Marco Buschmann, Bundesgeschäftsführer und Lindner-Vertrauter, hält es für richtig, dass die Partei zögert. „Wir dürfen nie wieder den Eindruck erwecken, der FDP gehe es nur um Posten und Dienstwagen.“ Für Buschmann ist das eine der wichtigsten Lehren aus dem Bundestagswahl-Debakel 2013.

Ausgerechnet in Baden-Württemberg allerdings scheint die FDP eine Riesenchance zu verspielen: Nirgends sonst sind die Grünen so wirtschaftsfreundlich, liberal und ideologiefern ... Nirgends sonst könnte eine Politik der moderaten Lösungen leichter gelingen als an der Seite von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ... Nirgends sonst hat sich die CDU ihre Oppositionsrolle besser verdient ... – kurz: Nirgends sonst wäre eine Ampel aus Sicht der FDP plausibler. Doch als dritte Kraft an der Seite von Grün-Rot? Wenn es stimmt, dass „in einem Dreierbündnis eine klare liberale Handschrift“ erkennbar sein muss, so Karl-Heinz Paqué, dann haben die Liberalen allein in Rheinland-Pfalz eine Mitregierungsperspektive – als zweitstärkste Kraft vor halbierten Grünen. Doch die innerparteilichen Widerstände gegen eine Ampelregierung sind gewaltig. Hasso Mansfeld etwa, Unternehmensberater aus Bingen und liberaler Internetaktivist, „weiß nicht, ob ich das noch mittragen könnte“. Allein in der Fundamentalopposition gegen alle grün-moralische Gängelung, so Mansfeld, habe sich die FDP stabilisieren können. Opposition sei Pflicht, so Mansfeld.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%