Wenige Tage vor dem Parteitag meldet dann Gesundheitsminister Daniel Bahr aus NRW seine Kandidatur an. Bahr, ein strategischer Kopf, schaut in die Zukunft – und sieht seine Felle davonschwimmen. Dazu hilft ein Rückblick in das Jahr 2012: Als dort nach der gescheiterten rot-grünen Minderheitsregierung Neuwahlen
anstanden, verlangte der Landesverband, sein damaliger Vorsitzender Bahr solle ihn in die Schlacht führen. Doch Bahr sah seine Zukunft in der Bundespolitik – nicht nur wegen des schönen Ministeramts in Berlin. Um der Röttgenfalle zu entgehen und den Regierungsposten gegen das sich abzeichnende Amt als Oppositionsfraktionschef im Landtag zu tauschen, gewann er den Aussteiger Lindner als Spitzenkandidaten. Für den was das die unverhoffte Chance, nach seinem Rückzug als Generalsekretär viel schneller als erwartet auf die große politische Bühne zurückzukehren. Aber Lindner stellte eine Bedingung: Er wollte dann auch den Landesvorsitz übernehmen; Bahr willigte ein, und man einigte sich auf eine Arbeitsteilung: Bahr kümmert sich um den Bund, Lindner ums Land. So weit die Rückblende. Heute sieht sich Bahr von Lindner übertölpelt. Denn mit der Kandidatur auf dem ersten Stellvertreterposten hat Lindner seinen Anspruch deutlich gemacht, kräftig an der Spitze der Bundespartei mitzumischen. Bahr muss fürchten, dass Lindner aus dieser starken Stellung heraus über kurz oder lang den Bundesparteivorsitz übernimmt. Für ihn wird es dann enger. Denn sollte die FDP nach der Bundestagswahl in der Opposition landen, droht Bahr die Simonis-Frage: „Und was wird aus mir?“ Denn dann dürfte Rösler der Fraktionsvorsitz entweder noch einmal an den Wahlkampf-Spitzenmann Rainer Brüderle fallen oder an den
Parteichef Rösler. Bahr hätte keine politische Bühne mehr, nachdem er schon den Landesvorsitz abgeben musste. Er hätte dann fehlspekuliert.
Kubicki wiederum strebt durchaus den späten Triumph an. Er war stets – in enger Kooperation mit dem vergangenen Jürgen Möllemann - das enfant terrible der Partei. Aber mit dem fulminanten Erfolg in der schleswig-holsteinischen Landtagswahl – dem ersten Aufbäumen nach der Nachbundestagswahl-Depression – hauchte der kantige Küstenmann der Partei neuen Kampfesmut ein. Zwar ist seine Begeisterung, jeden Montag nach Berlin fahren zu müssen, begrenzt. Aber nach 42 Jahren in der FDP will er nun endlich auch mal den Kurs der Liberalen mitbestimmen. Zumal er mit Verweis auf seine Erfolge argumentiert, dass seine
Richtung und Wähleransprache Erfolg versprechender sei als das meist koalitionsfreundliche Auftreten der Parteispitze. Seitdem schätzen ihn auch jene, die ihn lange als Intriganten einsortiert hatten. Einen „verrückten Hund“ nennt ihn das Partei-Urgestein Klaus von Lindeiner in der Delegiertenbesprechung seines bayerischen Landesverbandes und wirbt dafür, für das Nordlicht zu stimmen.
Es ist alles bereitet zum Schlachtfest. Als erster spricht Bahr: Klar und druckvoll stellt er seine Erfolge als Gesundheitsminister heraus, insbesondere die Abschaffung der Praxisgebühr und den Landarzt-Gesetz, dass die Versorgung in strukturschwachen Gebieten verbessern soll. „Wir sind da, wo uns die Menschen brauchen“, verspricht Bahr, der sich als führenden Sozialpolitiker der Partei präsentiert. Aber er betont zu oft, dass er ein „Teamspieler“ sei, der nie gegenüber den Medien schlecht über Parteifreunde rede.