FDP-Parteitag Die gefährlichen Ampelträume der FDP

Mit einer wirtschaftsfreundlichen und konsequent auf ihre Klientel zugeschnittenen Programmatik sammeln Christian Lindner und sein Team stets einen festen Stamm an Geschäftsleuten, Freiberuflern, Selbständigen und Unternehmern ein. Quelle: dpa

Die Liberalen halten sich die Option offen, mit Grünen und SPD eine Bundesregierung bilden zu können. Doch das wäre ein verhängnisvolles Signal. Die Zweitstimmen aus dem Unionslager dürften ausbleiben – und darauf kann die FDP nicht verzichten. Eine Analyse.

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Die FDP sonnt sich vor ihrem Parteitag im Wohlgefühl des aktuellen Umfragehochs. Zwar haben die Liberalen die Gewissheit verloren, bei der kommenden Bundestagswahl mit den Grünen noch um Platz drei im Ranking der Parteien konkurrieren zu können. Aber immerhin sind sie beachtlich nah an die SPD herangerückt, die ihren Status als zweite große Volkspartei in Deutschland inzwischen allzu deutlich eingebüßt hat.

Der Aufschwung der FDP hat mehrere Gründe – und wie immer reklamieren im Erfolgsfall viele die Vaterrolle für sich. Zum einen sind da natürlich die Inhalte: Mit einer wirtschaftsfreundlichen und konsequent auf ihre Klientel zugeschnittenen Programmatik sammeln Christian Lindner und sein Team stets einen festen Stamm an Geschäftsleuten, Freiberuflern, Selbständigen und Unternehmern ein. Weniger Bürokratie und Steuersenkungen sind Klassiker, die immer Wählerstimmen anziehen.

Die Vergangenheit hat aber schmerzlich gezeigt, dass die liberale Kernklientel manchmal nicht ausreicht, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen – es muss also noch etwas dazukommen. Und das ist traditionell die Rolle der FDP als Korrektiv der Volksparteien. Zu sozialliberalen Zeiten sollten die Liberalen nach Auffassung ihrer Wähler verhindern, dass die Sozialdemokraten es mit der Umverteilung und der Solidarität übertreiben. Ebenso gaben später viele Unionswähler ihre Zweitstimme der FDP, um ökonomisch und auch gesellschaftspolitisch den Durchmarsch der Konservativen zu stoppen. Daraus ist das Image der FDP entstanden: Positiv ausgedrückt als „Korrektiv“ der Großen, negativ gesprochen als deren „Anhängsel“.

Die verhängnisvolle Entfremdung zwischen den bürgerlichen Parteien

Nach 16 Jahren mit Helmut Kohl empfand sich die liberale „Funktionspartei“ nur noch als Mehrheitsbeschafferin – ja es gab sogar die Klage, man befinde sich in einer „babylonischen Gefangenschaft“ der Union. Daraus ist bei manchen Liberalen ein regelrechtes Trauma erwachsen, das bis heute nachwirkt – und zu verhängnisvollen Richtungswechseln führen kann.

Angela Merkel hat in ihrer vier Jahre währenden Regierungszeit mit der FDP einiges dazu beigetragen, um die empfindliche Seelenlage der Liberalen weiter zu verschlimmern. Der ständige Streit in der schwarzgelben Koalition führte zu einer nachhaltigen Entfremdung zwischen den bürgerlichen Parteien. Die Union belegte den kleinen Partner mit dem Schmähbegriff „Gurkentruppe“ – und man hat bis heute den Eindruck, dass die mangelnde Wertschätzung füreinander anhält.

Ihr Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 kreidete die FDP dann natürlich zu großen Teilen Merkel an, ebenso die Absage der Liberalen an ein Jamaikabündnis 2017. Es sei vor allem die Kanzlerin gewesen, so die Fama der FDP, die durch ihr Entgegenkommen zu den Grünen eine liberale Regierungsbeteiligung unmöglich gemacht habe. Noch einmal kann diese Ausrede nicht funktionieren. Sollte die FDP nach der Bundestagswahl zu Koalitionsverhandlungen eingeladen werden, steht sie unter Abschlusszwang – was ihren Spielraum enorm einengt.

Die sozialliberale Karte sticht auch in Mainz nicht mehr

Wenn die FDP heute auf der Woge demoskopischer Erfolge ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit betont, dann hat das neben gewachsenem Selbstbewusstsein auch viel mit der leidvollen Vergangenheit und dem schlechten Verhältnis zur Union zu tun. Volker Wissing, der Generalsekretär der FDP und mitverantwortlich für die Strategie im heraufziehenden Bundestagswahlkampf, macht aus seiner fast schon persönlichen Abneigung gegen Merkel und die CDU keinen Hehl. Offen plädiert Wissing, der als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz mit SPD und Grünen eine Dreierkoalition gebildet hat, auch im Bund für eine Regierung jenseits der Union.



Nur: Was in Rheinland-Pfalz aufgrund einer jahrelangen Sonderkonstellation leidlich funktioniert hat, ist noch lange keine Erfolgsstrategie für den Bund. Zumal die FDP auch bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März nur schwache 5,5 Prozent einfuhr und damit ihr letztes Ergebnis dort noch einmal um 0,7 Prozent verschlechterte. Dieses Resultat ist dicht an der politischen Todeszone und sicher kein Beweis für den Erfolg einer Strategie, die um sozialliberale Bündnisse oder Ampelkoalitionen kreist.

Das gilt erst recht für die Bundestagswahl: Wenn die Wähler der FDP davon ausgehen müssen, dass ihre Stimme womöglich einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock und einem sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz zur Macht verhilft, werden viele ihre Entscheidung noch einmal überdenken. Denn bei allem liberalen Selbstbewusstsein ist die FDP doch eine Zweitstimmenpartei geblieben – nur das sichert ihr bis heute das parlamentarische Überleben. Und auch wenn manche im FDP-Bundesvorstand es nicht gerne hören: der Löwenanteil dieser Zweitstimmen kommt nach wie vor aus dem Lager der Unionswähler.

Auf die Zweitstimmen der Unionswähler kommt es an

Diese Gruppe der taktischen, bürgerlichen Wähler wird in dieser Bundestagswahl sogar besonders stark zum Tragen kommen. Viele Unionsanhänger sind nämlich unzufrieden: Sie haben sich anstelle von Armin Laschet eher Friedrich Merz als Vorsitzenden oder Markus Söder als Kanzlerkandidat gewünscht. Zwar verbreitet sich inzwischen auch bei den „Enttäuschten“ die Erkenntnis, dass Laschet durchaus auf die Belange der Unternehmen achtet, wie er in seiner CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf seit Jahren beweist. Und schließlich hat sein siegreicher Machtkampf mit Söder bewiesen, dass der „nette Herr Laschet“ sich auch gegen großkalibrige Gegner durchzusetzen versteht.

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Dennoch ist der Anteil der Unionswähler, die bei dieser Wahl mit der FDP als Korrektiv liebäugeln, relativ hoch. Wenn die Liberalen nun in dieser Lage die Losung ausgeben, durchaus auch mit einer Ampelkoalition in Berlin regieren zu wollen, kann das als falsches Signal bewertet werden und fatale Konsequenzen haben. Als Wähler einer kleinen Partei will man in unserem Zweistimmenwahlsystem doch schon gerne wissen, in welche Richtung es geht. Bleibt die FDP diese Orientierung schuldig, kann ihr demoskopischer Höhenflug am Wahlabend jäh enden.

Mehr zum Thema: Die wirtschaftliche Verflechtung mit der Welt garantiert Deutschlands Wohlstand. Leider hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren viel zu wenig unternommen, um sie zu stärken. Höchste Zeit für eine Handelsoffensive. Ein Gastbeitrag.

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