
Der Begriff kommt aus der Karriereforschung: Die gläserne Decke, eine unsichtbare Barriere hemmt den weiteren Aufstieg. Was bisher vor allem Frauen bei Spitzenjobs oft wiederfuhr, erlebt seit einem Dreivierteljahr auch die FDP. Nach dem Wahldebakel strampelt sie, hat sie ihre Führung umgekrempelt – doch sie stößt nicht aus dem Umfragekeller nach oben durch. Sie bleibt gefangen im Vier-Prozent-Souterrain.
Nach dem Schock vom September 2013 mit dem erstmaligen Sturz aus dem Bundestag und dem Trotz des Frühjahrs, als die ersten wenig marktwirtschaftlichen Beschlüsse der Bundesregierung kamen, machen sich nun an der Parteibasis langsam Frust und Panik breit. Was die Liberalen auch unternehmen, es zündet nicht beim Wähler. Und in zwei Wochen schon sind Europa- und etliche Kommunalwahlen. Der Bundesparteitag der Freidemokraten an diesem Wochenende in Dresden soll noch einmal ein Versuch werden, die FDP aus der Versenkung hervorzuholen.
Über mangelnde mediale Beachtung können sich die Liberalen nicht beklagen. Ihr Vorsitzender Christian Lindner, aber zunehmend auch der Europa-Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff und Parteivize Wolfgang Kubicki sind mit zahlreichen Interviews präsent. Doch auch die Protagonisten selbst merken, dass die Bürger ihnen noch nicht glauben. Warum sie all die schönen aktuellen Forderungen denn nicht in ihrer Regierungszeit vorgetragen oder gar umgesetzt hätten – mit diesem Vorwurf sieht sich jeder Wahlkämpfer derzeit konfrontiert. Und viel mehr als ein Achselzucken können sie darauf nicht antworten. Denn damals hat sich die FDP einfach nicht getraut.
Weil das Zutrauen fehlt, dass die „neue“ FDP, wie Lindner sie nennt, es tatsächlich anders machen würde als die alte, helfen auch all die Entscheidungen der großen Koalition nicht, auch wenn diese wenig mit Freiheit und noch weniger mit Marktwirtschaft zu tun haben. Enttäuschte Unionsanhänger, gerade auch aus dem Wirtschaftsflügel, sind seit der vergangenen Legislaturperiode eben oft auch enttäuschte FDP-Zweitstimmenwähler.
Und mit Schrecken sehen die Freidemokraten, dass die Union nicht etwa darauf hofft, dass die FDP wieder erstarken und damit als potentieller Koalitionspartner auferstehen könnte, sondern alles daran setzt, das bürgerliche Lager allein zu vertreten. So wie sie im Bundestags- und hessischen Landtagswahlkampf keine Rücksicht auf die Liberalen nahm, spekuliert die CDU auch in Sachsen lieber auf die absolute Mehrheit als auf einen potentiellen blaugelben Koalitionspartner zu setzen.
Die FDP-Führung wiegelt im Vorfeld der Wahlen am 25. Mai erstmal ab. Derzeit hätten die Bürger eben noch nicht ihren Frieden mit der Partei gemacht. Die Stimmung beginne aber gerade, sich zu ihren Gunsten zu wandeln. Die Medien würden die Liberalen am Ergebnis der Bundestagswahl messen – damals erzielte die Partei 4,8 Prozent -, nicht aber an Triumphen der Vergangenheit. Bis zur Mitte der Bundestags-Legislaturperiode, also bis zur Jahreswende 2015/16, erhofft sich die Führungsmannschaft einzelne „Markpunkte“ wie ein erfolgreiches Abschneiden bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg oder bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg. In ihrem Stammländle stünde sie in Umfragen bereits wieder bei sechs Prozent.