FDP-Parteitag Schlachtfest bei der FDP

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Kubicki hält die beste Bewerbungsrede

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki setzt sich gegen Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel durch. Quelle: dpa

Dirk Niebel verteidigt noch einmal seine umstrittene im Führungskampf mit und gegen Philipp Rösler. Er habe den Parteitag vorziehen wollen, so sei es gekommen. Er habe Rainer Brüderle zum Spitzenkandidaten machen wollen, so werde es am nächsten Tag beschlossen. Er kämpfe mit offenem Visier. „Ich bin manchmal laut, manchmal vorlaut, aber nie kleinlaut.“ Aber er schafft schon mit seiner Anrede Distanz zu den Delegierten: „Liebe Parteifreunde, so nennen wir uns ja immer.“

Die beste Bewerbungsrede des ganzen Parteitags liefert dann Kubicki. Es sei schon „etwas Besonderes, wenn man sich mit zwei Bundesministern in ein Wahl begibt“. Gleich die erste Botschaft sitzt also: Hier kommt einer von Euch, gegen das Establishment. Er habe in den Medien über sich gelesen, er sei ein „Quartalsirrer“ – das hatte einst der Parteifreund und Finanzpolitiker Hermann Otto Solms über ihn gesagt -, er sei eine „notorische Nervensäge“ und „nicht teamfähig“. Aber wer
seit 20 Jahren die Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein führe, könne nicht sozial eingeschränkt sein. „Aber ich habe meine eigene Meinung – und ich hoffe, wir alle haben eine eigene Meinung.“ Das ist die nächste Botschaft: Fühlt Euch doch nicht gebunden an das, was die Landesverbände Euch für diesen Wahlgang empfohlen haben. Er sei schon länger für einen Mindestlohn, aber er sei stolz, dass es unterschiedliche Meinungen dazu in der FDP gebe, ebenso wie zur Eurorettung. Sein Hauptpunkt: Klarer Kurs auch gegen den Koalitionspartner CDU. Begeistert ist der Saal von Kubickis spöttischen Attacken: Erst auf
jene „Stern“-Redakteurin, der erst nach der Nominierung von Rainer Brüderle zum FDP-Spitzenkandidaten mit einem Jahr Verspätung auffiel, dass sie sich vom ihm sexuell belästigt fühlte. Kubickis Botschaft: Vor einer solchen Art von „Journalismus“ müsse man keine Angst haben. Und auch Peer Steinbrück muss leiden. Mit dem zusammen habe er im Studium in Kiel in Volkswirtschaft gesessen. Der Sozi verkünde immer, er habe das bessere Examen gemacht als Kubicki. „Aber was hat die arme Sau aus seinem Leben gemacht? Jetzt ist er Kanzlerkandidat der SPD.“ Da tobt der Saal, und das Wahlergebnis ist entsprechend. Im ersten Wahlgang holt Kubicki schon fast 20 Prozentpunkte Vorsprung auf Bahr heraus; Niebel kann froh sein, dass er dadurch nur recht knapp hinter dem Nordrhein-Westfalen ins Ziel kommt. In der Stichwahl Kubicki-Bahr kann der Kieler fast alle Delegierten dazugewinnen, die in der ersten Runde noch für Niebel gestimmt hatten. Zwei Bundesminister hat Kubicki, der älteste gewählte Präside, aus dem Feld geschlagen. Die letzten Runden gehen dann ganz ohne Aufregung über die Bühne.

Homburger kommt als dritte Beisitzerin mit einem passablen Ergebnis durch. Und Generalsekretär Patrick Döring bekommt wie erwartet die Prügel, die man dem Vorsitzenden Rösler aus taktischen Gründen nicht verpassen konnte. Denn der Generalsekretär wird immer allein auf Vorschlag des Parteichefs gewählt, muss also in jeder Partei auch für ihn den Kopf hinhalten. Für Döring ist das nichts Ungewöhnliches, er hat noch nie bei einer Parteiwahl mehr als 80 Prozent der Delegierten
für sich gewonnen. Die Bilanz der Wahlen ist für Rösler fast schon beruhigend. Er hat – nach dem Schatzmeister, der von den Ergebnissen her aus Dankbarkeit
der Delegierten immer in einer anderen Liga spielt – das beste Wahlergebnis. Der wichtigste Konkurrent Lindner ist auf Distanz gehalten. Der beginnende Bundestagswahlkampf müsste die neue FDP-Führung nun zu mehr Zusammenhalt zwingen. Geht der Wahlkampf schief, kann er die Schuld auf Spitzenmann Brüderle schieben. Schließt er mit einem Erfolg, ist auch die Zukunft des Vorsitzenden Rösler gerettet.

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