Parteitag FDP will als Modernisierungspartei zurück in Regierungsverantwortung

Christian Lindner will mit der FDP wieder Teil einer Bundesregierung sein. Quelle: dpa

Vor zwei Wahlperioden gehörte die FDP zuletzt der Regierung an. Sie drängt mit Macht dorthin zurück. Personell und inhaltlich ist sie dafür seit dem Wochenende aufgestellt. Nun muss es nur noch mit dem Wähler klappen.

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Mit einer Positionierung als Modernisierungspartei für Deutschland will die FDP ein starkes Bundestagswahlergebnis einfahren und sich bei der folgenden Regierungsbildung unentbehrlich machen. Dabei halten sich die Liberalen eine Beteiligung an einem Jamaika-Bündnis ebenso offen wie an einer Ampel-Koalition und ziehen vor allem zwei rote Linien: Steuererhöhungen soll es mit ihnen ebenso wenig geben wie eine weitere Staatsverschuldung.

Zu lange sei das „trügerische Bild“ vermittelt worden, dass alles bleiben könne, wie es sei, heißt es im Bundestagswahlprogramm, das die 662 Delegierten am Sonntag beim digitalen Parteitag nach zweitägiger Debatte mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen annahmen. „Das Ergebnis war eine Politik, die unseren Staat satt und träge gemacht hat, statt schlank und stark.“ Dies dürfe so nicht bleiben.

Generalsekretär Volker Wissing rief am Samstag dazu auf, als starkes Team mit Parteichef Christian Lindner an der Spitze in den Wahlkampf zu ziehen. „Wir treten nicht an, um anderen ins Bundeskanzleramt zu verhelfen, wir wollen dafür sorgen, dass unser Land nicht in die blinde Staatsgläubigkeit abdriftet, die eine Gesellschaft in Wahrheit lähmt anstatt sie zu stärken.“

Wissing lehnte neben Steuererhöhungen auch eine weitere Verschuldung ab. Deutschland brauche neben staatlichen auch private Investitionen etwa in Forschung und Entwicklung oder in Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. „Wer unsere Wirtschaft in dieser Situation mit höheren Steuern belasten will, muss die Frage beantworten, wie dann private Investitionen finanziert werden sollen.“ Nötig seien solide Staatsfinanzen, keine Generation dürfe von Schuldenbergen erdrückt werden. „Deshalb ist neben der Frage der Steuerbelastung auch die Frage solider öffentlicher Haushalte für die Freien Demokraten nicht verhandelbar“, betonte Wissing. Eine Aufweichung der Schuldenbremse lehne die FDP ab.

Die Liberalen präsentierten sich bei ihrem dreitägigen Online-Treffen als geschlossene Partei. Bei der Neuwahl der Parteiführung gab es keine Kampfkandidaturen. Die Debatte über das Wahlprogramm zog sich zwar viel länger hin als geplant, verlief aber ohne große Ausreißer. Zu den wenigen zählte ein gegen den Willen der Parteispitze knapp angenommener Antrag, der eine Beschneidung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein Senken des Rundfunkbeitrags fordert.

Nach Intervention der Parteispitze wurde eine bereits beschlossene Liberalisierung der Drogenpolitik nach dem Vorbild Portugals wieder aus dem Wahlprogramm gestrichen. Sonst hätte die FDP dafür plädiert, den Besitz von bis zu zehn Tagesdosen Drogen zum persönlichen Gebrauch nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit – wie etwa Falschparken – zu werten. „Das portugiesische Modell bedeutet nichts anderes als die vollständige Freigabe aller Drogen. Das ist etwas, was die Freien Demokraten unter keinem Gesichtspunkt gutheißen können“, betonte Parteivize Wolfgang Kubicki.

Das Wahlprogramm der FDP ist überschrieben mit dem Slogan „Nie gab es mehr zu tun.“. Wissing nannte es in seinem Schlusswort „ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger, um unser Land nach vorn zu bringen“. Einige wichtige Punkte daraus:

Steuern:
Die FDP sagt Bürgerinnen und Bürgern eine spürbare Entlastung zu. Die Abgabenbelastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber soll unter die Marke von 40 Prozent sinken. Der Spitzensteuersatz soll erst ab einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro greifen. Der Solidaritätszuschlag soll komplett abgeschafft werden. Fallen sollen auch Bagatell- und Lenkungssteuern etwa auf Schaumwein, Bier und Kaffee. Der Sparerfreibetrag soll erhöht und die Doppelbesteuerung von Renten verhindert werden.

Bildung:
Ein Prozentpunkt des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens soll zusätzlich in Bildung investiert werden. Die Schulen sollen mehr pädagogische und personelle Freiheiten bekommen und ebenso wie Kitas finanziell gestärkt werden. In ganz Deutschland sollen Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung insbesondere in Stadtteilen mit großen sozialen Herausforderungen aufgebaut werden. Der Spracherwerb soll früh gefördert werden. Mehr Förderung soll es auch für Mädchen und junge Frauen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) geben.

Klimaschutz:
Der EU-Emissionshandel soll schnellstmöglich auf alle Sektoren und geografisch ausgeweitet werden. Klimafreundliche synthetische Kraftstoffe für herkömmliche Verbrennungsmotoren sollen zugelassen werden. Die Bürger sollen vom Staat eine Klimadividende erhalten, einen jährlich zu berechnenden Pauschbetrag. Zudem soll die Energiebesteuerung drastisch sinken. Dazu soll die EEG-Umlage gestrichen sowie die Stromsteuer auf den niedrigsten nach EU-Recht möglichen Satz gesenkt werden und möglichst bald ebenfalls wegfallen.

Familien:
Für Kinder soll ein Kinderchancengeld eingeführt werden, bestehend aus Grund- und Flexibetrag sowie nichtmateriellen Komponenten. Das Elterngeld soll entbürokratisiert, flexibilisiert und ausgebaut werden. Alleinerziehende und Familien will die FDP entlasten. Im Adoptionsrecht will sie unverheiratete Paare verheirateten gleichstellen.

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Rente:
Die FDP will eine Altersvorsorge nach dem Baukastenbetrieb ermöglichen, bei der Bausteine aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge flexibel kombiniert werden. Es soll eine gesetzliche Aktienrente eingeführt werden. Dazu soll der Hauptteil der Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern weiter in die umlagefinanzierte Rentenversicherung fließen, ein kleinerer Betrag von beispielsweise zwei Prozent des Bruttoeinkommens aber in ein Aktiensparmodell. Eine Basis-Rente soll Altersarmut bekämpfen.

Mehr zum Thema: Die Liberalen halten sich die Option offen, mit Grünen und SPD eine Bundesregierung bilden zu können. Doch das wäre ein verhängnisvolles Signal. Die Zweitstimmen aus dem Unionslager dürften ausbleiben – und darauf kann die FDP nicht verzichten. Eine Analyse.

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