FDP-Wahlprogramm Der Versuch eines Spagats

Mit dem Programmentwurf zur Bundestagswahl will die FDP den Spagat schaffen. Sie will sich als neu präsentieren, dabei aber nicht ihre alten Stammwähler verlieren. Am Ende könnte dieses Kunststück bei der Wahl verpuffen.

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Vorstellung des Programmentwurfs für die Bundestagswahl. Quelle: dpa

„Schauen wir nicht länger zu!“ - so lautet der Titel des Programmentwurfs, mit dem die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen will. Er klingt wie ein Appell an sich selbst: Wir wollen nicht länger die Zaungäste sein, deren Stimme auf Bundesebene seit 2013 keine gestaltende Wirkung mehr hat. An die (potenziellen) FDP-Wähler gerichtet klingt der Titel wie: Wir sind die Underdogs, die sich bisher nicht Gehör verschaffen konnten, wir sitzen in demselben Boot, also gebt uns eure Stimme!

Eine kleine Partei gegen den Mainstream, so sieht sich die FDP gern – und sie wird nicht müde, zu betonen, dass sie eine mögliche Beteiligung an einer Regierungskoalition an ihre eigenen Bedingungen knüpfen wird – sollte sie überhaupt jemand fragen.

Denn warum sollten überhaupt so viele Menschen die FDP wählen, damit es für die Partei wieder zum „Kanzlermacher“ reicht? Irgendwie lief es doch auch ohne sie in den vergangenen drei Jahren ganz gut: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Staatskassen gut gefüllt.

Auf insgesamt 81 Seiten hat die FDP nun zusammengetragen, was den Wähler bewegen soll, sein Kreuzchen doch bei ihr zu machen. Sie bemüht sich vor allem darum, zu zeigen, dass die FDP nach drei Jahren Verdammung aus dem Bundestag nicht mehr die Partei ist, die 2013 krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. Das Thema Steuern, es kommt erst auf Seite 63. Davor: viel Bildung und viel Digitalisierung.

Gleich das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Kindergarten, Schule, Ausbildung und Studium. Die FDP will die duale Bildung fördern, Bafög für alle einführen und mit Bildungsgutscheinen den Wettbewerb zwischen Schulen fördern.

Gleich im zweiten Kapitel wird das „Vorankommen durch eigene Leistung“ betont – die FDP kennt ihre Wähler. Im folgenden kommen all jene Zauberwörter vor, die die FDP bei Unternehmensgründern in Umfragen zur absoluten Lieblingspartei machen: bessere Bedingungen für Wagniskapitel, weniger Bürokratie, mehr Open Data. Allerdings: All diese Stichworte standen auch schon im Koalitionsvertrag von Union und SPD.

Wie schon bei der Rede zum Dreikönigstreffen der Partei spielen Steuern auch im Wahlprogramm nicht mehr so eine dominante Rolle wie in vorherigen Wahlkämpfen. Doch auch der klassische FDP-Wähler dürfte nicht enttäuscht sein, denn die FDP will, na klar, Steuersenkungen und einen schlankeren Staat. So wie übrigens auch viele Unions- und SPD-Spitzenpolitiker.


Wahl im Saarland hat FDP-Problem verdeutlicht

Statt der bisherigen Regel, dass für jedes neue Gesetz eine altes ersetzt werden muss („one in one out“) will die FDP jetzt „one in two out“. Bei der Einkommenssteuer soll es einen „leistungsgerechteren Tarif“ geben, der vor allem die Mittelschicht entlastet. Soli-Zuschlag und kalte Progression will die FDP abschaffen – alte Dauerbrenner der Partei, so hält man die Stammwähler.

Bei sozialen Themen stellt sich die FDP gegen viele der bisherigen Verlautbarungen von Martin Schulz. Der SPD-Kanzlerkandidat will Leih- und Zeitarbeit eindämmen, die FDP will daran festhalten. Schulz will das Arbeitslosengeld bei Qualifizierungsmaßnahmen ausweiten, die FDP findet eine Verlängerung von Transferleistungen „kontraproduktiv“.

Ein Bereich im Programm, wo sich die FDP tatsächlich recht deutlich sowohl von Union als auch von der SPD abheben könnte, ist die Digitalisierung. Die FDP will, dass die Deutschen „Verfügungsgewalt über auf ihre Person bezogene Daten haben“. Sie will außerdem gegen anlasslose Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten kämpfen.

Die Partei stemmt sich damit gegen einen Trend, der vor allem jüngere Wähler zunehmend verärgert. In immer mehr Bereichen werden immer mehr Daten abgegriffen und beleuchtet – alles mit dem Argument der Terrorbekämpfung. Gerade die Union beziehungsweise das CDU-geführte Bundesinnenministerium ist immer schnell dabei, die Überwachung der Bürger auszuweiten. Und die SPD hat die Vorratsdatenspeicherung in der zweiten Auflage durchgewinkt.

Eins ist jedoch klar: Ein Programm allein macht noch keinen Erfolg bei der Wahl. „Viele Menschen sagen uns: Ihr fehlt!“ heißt es im Entwurf der FDP. Die Zuwächse bei den Neumitgliedern in den vergangenen Monaten und der Zuspruch aus der Wirtschaft bestätigen diesen Eindruck durchaus. Doch positive Lippenbekenntnisse sind noch lange kein Garant für ausreichend Kreuzchen auf den Wahlzetteln.

Die Wahl im Saarland hat dieses Problem der FDP sehr deutlich gemacht. Ein Problem, das die Partei auch auf Bundesebene haben könnte: Viele wollen zwar die FDP wählen, die Inhalte sind ihnen nah, auch als Opposition wären sie durchaus erwünscht.

Aber noch wichtiger könnte es den potenziellen FDP-Wählern sein, Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün auf Bundesebene zu verhindern. Und dann geben sie ihre Stimme lieber der Union. 

Je mehr es also auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Union und SPD hinaus läuft, desto ungünstiger für die FDP.

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