Feinstaub und Fahrverbote In Stuttgart stirbt der Diesel

Maßnahmen zur Feinstaub-Reduzierung in Stuttgart. Quelle: imago images

Wenn den Herstellern keine Wunder gelingen, wird es in der Autohauptstadt Stuttgart bald Fahrverbote für Diesel geben. Wenn schon dort nichts anderes mehr hilft, wo hat der Diesel dann noch eine Zukunft?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mitte Mai wurde eine erstaunliche Parallele zwischen Elefanten und Feinstaubpartikeln entdeckt: In Stuttgart können beide anwesend sein, ohne dass irgendjemand sie sieht. Der Feinstaub fast täglich, am Neckartor und all den anderen Einfallstraßen in den Stuttgarter Innenstadtkessel. Und der Elefant? Metaphorisch, am Freitag in der Stuttgarter Staatskanzlei. Da trafen sich der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Chefs der örtlichen Autokonzerne und Zulieferer, um über die Zukunft der Mobilität zu sprechen.

„Autobauen ist Mannschaftssport“, sagte der eine, „der Wandel vollzieht sich in rasendem Tempo“, ergänzte der andere, „ja, ja“, nickte der Rest. Vom Feinstaub in der Luft aber, den bevorstehenden Fahrverboten und dem Desaster mit der Dieseltechnik hingegen: kein Wort. Wie das mit Elefanten im Raum eben manchmal so ist. Dabei hätte es elefantenmäßig viel zu besprechen gegeben.

Maßnahmen zur Feinstaub-Reduzierung in Stuttgart. Quelle: imago images

Die Androhung von Fahrverboten ändert alles

In Stuttgart dürfte es ab dem 1. Januar 2018 Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben. Für die deutschen Autokonzerne ist das weit mehr als ein lokales Ärgernis. Dem Dieselmotor, schon durch die Manipulationen bei den Verbrauchswerten in die Kritik geraten, könnten sie den Rest geben. Bisher haben sich die Deutschen zwar über die Skandale aufgeregt, aber kaum Konsequenzen gezogen.

Allein die Androhung von Fahrverboten, sollte der Diesel unverändert viel Feinstaub in die Luft blasen, aber ändert alles. Vor allem wenn dieses erste Fahrverbot in Stuttgart greifen sollte. Die Stadt ist nicht nur Feinstaubhauptstadt, sondern auch Dieselhauptstadt. Mit Daimler und Bosch haben zwei der größten Dieselkonzerne ihren Hauptsitz hier, alles in der Schwaben-Wirtschaft dreht sich um den Verbrennungsmotor. Kann die Autolobby hier ihre einstige Vorzeigetechnik nicht mehr verteidigen, dürfte das im Rest der Republik kaum noch gelingen. Und deswegen wundert es umso mehr, mit welcher Gleichmütigkeit sich alle Beteiligten auf das Ende des Dieselverkehrs im Stuttgarter Kessel eingestellt zu haben scheinen.

Kein Widerstand der Autolobby

Alexander Kotz zum Beispiel sagt: „Ich rechne fest damit, dass es im kommenden Jahr Fahrverbote geben wird.“ Das ist erstaunlich, denn wenn Kotz täte, was seine Wähler von ihm erwarten, dann würde er gegen genau diese Verbote kämpfen. Kotz ist Chef der CDU-Fraktion in Stuttgart, damit Koalitionspartner der örtlichen Grünen und wichtigster Fürsprecher der Automobilisten im Kessel in Personalunion.

Diese Diesel haben besonders schlecht abgeschnitten
Fiat Doblò 1.6 Multijet Quelle: Fiat
Kia Optima 1.7 CRDi ISG Quelle: Kia
Mercedes-Benz C-220 CDI T-Modell Quelle: Daimler
VW Passat 2.0 TDI BlueMotion Technology Quelle: Volkswagen
Skoda Ocatvia 1.6 TDI Greenline Combi Quelle: Skoda
BMW 118d Quelle: BMW
Renault Grand Scénic 1.6 dCi130 Quelle: Renault

Im Hauptberuf ist Kotz Inhaber eines Handwerksbetriebs, seine Installateure und ihre Dieselautos knattern täglich durch die Feinstaubmagistralen der Stadt. Politisch wie persönlich könnte man denken, näher als die Fahrverbote kann ihm ein Thema kaum kommen. Doch Kotz fügt hinzu: „Aus meiner Sicht sind die Fahrverbote vor allem ein Problem für das Stadtmarketing.“ Die Stadt solle den „Feinstaubalarm“ doch umbenennen und von „Luftreinhaltetagen“ sprechen.

Das würde einen großen Teil des Problems lösen. Diese schon auf den ersten Blick erstaunliche Sicht wird dadurch noch erstaunlicher, dass sie die derzeit verbreitetste in Stuttgart ist. In Sachen Feinstaub hat die Stadt ein stiller Optimismus erfasst, für den es keine objektiven Gründe gibt.

Alles beim Alten?

Dabei stauen sich die Autos am Neckartor, der am stärksten belasteten Einfallstraße nach Stuttgart, auch in diesem Frühsommer wie eh und je, die Hauswände haben nichts von ihrer gleichmäßigen Rußschwärze verloren. Trotzdem nahmen die allermeisten Stuttgarter diese Situation, die viele Grünen-Politiker und Umweltschützer, aber auch die Europäische Kommission und alle bisher dazu urteilenden Gerichte für unhaltbar erachten, mit einem erstaunlichen Gleichmut hin. Der Feinstaub, den keiner je zu Gesicht bekam, regte auch niemanden auf. Doch unter dieser oberflächlichen Ungerührtheit verlieren nicht nur die Stuttgarter, sondern die deutschen Autofahrer an sich offenbar nach und nach das Vertrauen in ihren alten Lieblingsmotor.

In den Zulassungszahlen zeigt sich das jetzt schon. So wurden im April deutschlandweit rund 20 Prozent weniger Dieselfahrzeuge verkauft als im Vorjahr. In Stuttgart ging der Absatz zuletzt sogar fast doppelt so stark zurück wie im Bundesschnitt. Hier sinken sogar die Wiederverkaufswerte für Dieselautos.

In Stuttgart hatte man sich ein paar Tage vor dem Elefantentreffen eine hierarchische Ebene tiefer getroffen und am Ende verkündet, nach technischen Möglichkeiten zur Umrüstung von Diesel-Pkws zu suchen. Die entscheidenden Fragen, wer diese Umrüstungen bezahlen könnte und was das Bundesland oder gar die Stadtverwaltung dabei überhaupt zu melden hätten, wurde gar nicht gestellt. Ähnlich realitätsblind hatte die örtliche Öffentlichkeit kurz zuvor schon die Pläne für die Umsetzung der Fahrverbote aufgenommen. So wird die Stadt wohl nicht pauschal alle Straßen im Kesselareal der Innenstadt für Dieselfahrzeuge sperren, sondern sich auf elf ausgewählte Routen beschränken. Die Reaktion: Allgemeine Erleichterung, wird vielleicht doch alles nicht so schlimm.

Welche Schadstoffe im Abgas stecken

Also: Bleibt erst mal alles beim Alten. „Ich kämpfe jetzt dafür, dass es am Ende vernünftige Ausnahmeregeln für Betriebe geben wird, die auf den Diesel angewiesen sind“, stellt CDU-Mann Kotz sich selbst und allen anderen in Aussicht. Er findet: Nicht nur die Firmentransporter sollten davon erfasst werden, sondern auch die Limousine des Chefs. „Oder soll ich mir immer eine Leiter aufs Dach spannen, wenn ich zur Baustelle fahre?“ Warum dann allerdings der Bosch-Mitarbeiter noch auf die Tram umsteigen sollte, bleibt unklar.

Sollte das Verwaltungsgericht den Luftreinhalteplan im Juli billigen, werden elf Straßen ab Januar immer dann gesperrt werden, wenn die Luftbelastung hoch ist – ein faktisches Fahrverbot für die Innenstadt. Wie all die anderen Entwarnungen entpuppt sich also auch diese als Placebo. Aber über solche ist eben nicht nur bekannt, dass sie keine Wirkstoffe enthalten; sondern auch, dass sie mitunter mehr bewirken als ein echtes Präparat.

So hat sich Handwerksmeister Kotz dagegen entschieden, sich auf die Fahrverbote vorzubereiten, was ihn mit allen anderen hier verbindet. Klar hat er mal durchgerechnet, ob es sich lohnen könnte, die Flotte elektrisch zu betreiben. „Aber das ist wirklich noch viel zu teuer“, sagt Kotz. Auch die Überlegung, einen Wagen mit Ausrüstung dauerhaft in der Innenstadt zu platzieren, gab es. „Aber dafür ist der Anteil unserer Kunden in der City dann doch zu niedrig.“

Es sind eher die kleinen Schritte, an denen sie im Schwäbischen tüfteln, um dieses vergleichsweise große Problem zu lösen. Womöglich zu klein, verglichen damit, dass der Dieselmotor auf sein Ende zusteuert, sollten diese Schritte nicht zum Ziel führen. Denn warum andere von Feinstaub geplagte Städte wie Düsseldorf, Hamburg oder München noch Dieselfahrzeuge passieren lassen sollten, wenn selbst die deutsche Dieselhauptstadt das nicht tut, darauf haben auch die findigen Schwaben keine Antwort.

Gegen den Widerstand Deutschlands hat sich die EU für strengere Regeln bei Abgastests und Typgenehmigungen von Autos ausgesprochen. Dass Angela Merkel diese Schlappe hinnimmt, ist längst nicht ausgemacht.
von Silke Wettach, Katja Joho
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%