Finanzminister Olaf Scholz (SPD) strebt bei der Reform der Grundsteuer eine Lösung ohne eine „größere Belastung“ für die Steuerzahler an. Scholz sagte am Mittwoch in Berlin vor einem Treffen mit seinen Länderkollegen, die Diskussionen würden nun sehr sorgfältig geführt. „Ich bin überzeugt, dass wir das hinbekommen werden, und dass es eine Lösung ist, die die Zielsetzung verfolgt, die man hier haben kann - nämlich erstens, zu tun, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat, und zweitens, die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen vor größerer Belastung zu schützen.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte wegen völlig veralteter Bemessungsgrundlagen bei der Berechnung der Steuer eine Reform verlangt. Diese soll bis Ende 2019 von Bundestag und Bundesrat beschlossen sein.
Das Finanzministerium favorisiert nun ein sogenanntes wertabhängiges Modell, wie am Montag bekannt geworden war. Die Bemessungsgrundlage soll sich künftig zusammensetzen aus: Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Vermieter können die Kosten für die Grundsteuer auf die Mieten umlegen. Um Mietsteigerungen vor allem in Ballungsräumen abzufedern, soll die sogenannte Steuermesszahl gesenkt werden.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
Scholz sagte, das Ministerium versuche, das System der Besteuerung von Grundbesitz so zu verändern, dass es nicht zu Mehrbelastungen für die Mieter komme. „Und das geht auch mit den Vorschlägen, die wir entwickelt haben.“ Die Grundsteuer soll weiterhin ein Aufkommen von rund 14 Milliarden Euro für die Kommunen sichern.
An diesem Donnerstag will der Finanzminister seine Pläne in Berlin ausführlich vorstellen. Zur Diskussion stehen zwei alternative Vorschläge. Länder und Verbände hatten bereits ablehnend reagiert - unter anderem weil damit mehr Bürokratie geschaffen werde. Die Grundsteuer soll nach den Vorschlägen von Scholz künftig für jede Wohnung individuell berechnen werden.
Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) forderte eine gerechte Lösung für die Bürger. Es liege auf der Hand, dass eine Immobilie in einer gefragten Gegend einen höheren Wert haben werde als ein vergleichbares Grundstück in einer schlechteren Lage, sagte Görke der Deutschen-Presse-Agentur. „Aber gerade deshalb ist es wichtig und meine zentrale Forderung, dass durch die Reform die Mieten nicht steigen“, sagte der Minister. „Das ist unser Petitum (Forderung), wenn wir jetzt mit der Bundesregierung verhandeln.“
Der Immobilienverband IVD warnte davor, die Pläne für eine wertabhängige Bemessungsgrundlage bei der Reform weiterzuverfolgen. Dies können zu deutlich steigenden Steuern führen, gerade angespannte Wohnungsmärkte würden zusätzlich belastet, erklärte IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Der Plan von Scholz würde außerdem zu einem „bürokratischen Albtraum“ werden, denn alle Wohnungen in Deutschland müssten neu bewertet werden.
Auch Bayern, das bei der Reform ein einfacheres Flächenmodell favorisiert, hatte die Pläne von Scholz bereits abgelehnt. Es würde Steuererhöhungen, Mieterhöhungen und vor allem mehr Bürokratie bedeuten, hatte Finanzminister Albert Füracker (CSU) kritisiert.