Finanzstabilitätsregeln Gabriels Berater mahnen zur Umsetzung von Basel III

Der Wissenschaftliche Beirat warnt in einem Brief an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor einem Aufweichen der Basel-III-Regeln für Banken. Es gebe derzeit „wichtige Lücken“, die die Finanzstabilität gefährdeten.

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Führende Ökonomen sind überzeugt, dass die Banken in Deutschland vielfach über ein zu geringes Eigenkapital verfügen – und in Sorge, dass die Bundesregierung strengere Regeln verhindern könnte. Quelle: dpa

Berlin In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnen die 37 Top-Ökonomen im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums eindringlich vor einer zu laschen Bankenregulierung. Die Bundesregierung solle in den Verhandlungen zu den neuen Eigenkapitalanforderungen an Banken (Basel III) ihre Position überdenken. „Die derzeitigen Regeln weisen wichtige Lücken auf“, heißt es in dem Brief, der dem Handelsblatt vorliegt. „Aufgrund dieser Lücken ist die Finanzstabilität gefährdet“, warnen die Wissenschaftler. Es sei zu befürchten, dass in absehbarer Zeit „erhebliche neue Lasten auf das Finanzsystem und den Steuerzahler zukommen“, warnt der Beirat, dem Top-Ökonomen wie Hans-Werner Sinn oder Marcel Fratzscher angehören.

Nach der Finanzkrise, deren Folgen Volkswirtschaften weltweit bis heute beutelt, war klar: Die Banken müssen härter reguliert werden, damit so etwas nie wieder geschieht. Also wurde ein Gremium berufen, der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht. Dieser legte Empfehlungen vor, wie das Finanzsystem stabiler gemacht werden kann. So sollen Banken dickere Kapitalpolster aufbauen, um weniger leichtfertig riskante Kredite zu vergeben und um für den Krisenfall besser abgesichert sein.

Derzeit befinden sich die Verhandlungen über die neuen Regeln in der Endphase. Doch die neuen Regeln drohen durch Intervention auch von Seiten der Bundesregierung aufgeweicht zu werden, befürchten die Ökonomen. „Vertreter der Bundesrepublik und andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie der Europäischen Kommission haben Widerstand gegen diese Vorschläge angekündigt, bis hin zur Drohung, sie gegebenenfalls nicht umzusetzen“, stellen die Wissenschaftler besorgt fest.

Die Argumente, die gegen die Basler Vorschläge vorgebracht werden, könnten nicht überzeugen. Sie seien geprägt von den Interessen der Banken und vernachlässigten die Risiken für die Steuerzahler, urteilen sie. Auf zwölf Seiten führt der Beirat unter Vorsitz von Hans Gersbach von der ETH Zürich auf, warum die Argumente der Kritiker von Basel III nicht greifen.


Einige der Risiken als „hoch“ anzusehen

Dabei geht es unter anderem um das Thema Immobilienfinanzierung. „Unter den derzeitigen Regeln werden Immobilienkredite pauschal als sicherer behandelt als Unternehmenskredite“, heißt es in dem Brief. Dabei werde jedoch übersehen, dass Immobilienkredite regelmäßig im Zentrum von Finanzkrisen stehen. Der Beirat listet mehrere Mechanismen auf, die hinter den durch Immobilienkredite verursachten Krisen stehen. Etwa dass bei steigenden Immobilienpreisen das Risiko einer Minderbewertung der Sicherheiten nach Zerplatzen der Blase unterschätzt werden. Oder dass bei steigenden Immobilienpreisen auch Kunden Kredite erhalten, die ihre Schulden am Ende womöglich nicht bezahlen können.

„Einige der hier benannten Risiken sind derzeit als hoch anzusehen, denn Niedrigzinsphase und Immobilienpreisentwicklung haben viele Leute veranlasst, in Immobilien zu investieren“, warnt der Beirat. Umso wichtiger wäre es, durch eine bessere Eigenkapitalunterlegung der Immobilienkredite dafür zu sorgen, dass die Geldinstitute die möglicherweise entstehenden Verluste auffangen könnten.

Der Beirat entkräftigt auch das Argument der Basel-III-Gegner, eine bessere Berücksichtigung der Risiken von Immobilienkrediten würde europäische Institute härter treffen als amerikanische. Das sei „in diesem Zusammenhang unerheblich“. Denn der typische deutsche Immobilienfinanzierer stehe nicht im Wettbewerb mit amerikanischen Immobilienfinanzierern.

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte am Mittwoch, dass der Brief nicht den aktuellen Stand der Diskussionen wiedergebe, sondern in Teilen überholt sei. Auch die Kritik am Umgang mit Immobilienrisiken sei nicht mehr aktuell.

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