Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen "Beamte müssen länger arbeiten"

Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen will Beamte erst ab dem 68. Lebensjahr in Pension schicken.

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Bernd Raffelhüschen Quelle: LAIF/Tim Wegner

WirtschaftsWoche: Herr Raffelhüschen, Sie als Universitätsprofessor sind gewiss Beamter, oder?

Raffelhüschen: Klar, von meinen Vorschlägen zur Reform der Beamtenversorgung bin ich selbst sehr stark betroffen.

Haben Sie schon mal Ihre Pensionsansprüche ausgerechnet?

Die kann ich im Gesetz nachlesen. Ich werde später einmal rund 70 Prozent meines ruhegehaltsfähigen Einkommens als Ruhegehalt bekommen...

...weit mehr als ein ganz normaler Rentner. Damit sind Sie Teil eines Problems: Wie hoch sind die Pensionslasten, die auf den Staat zukommen?

Sie sind eine gewaltige Last. Heute geben die Länder durchschnittlich acht bis neun Prozent ihrer jährlichen Steuereinnahmen für ihre passiven Beamten aus – für diejenigen also, die nichts mehr tun. In Zukunft wird sich dieser Wert mindestens verdoppeln, wenn nicht sogar auf bis zu 24 Prozent verdreifachen.

Ist die Lage beim Bund denn besser?

Der Bund ist nicht so stark betroffen, denn etwa 80 Prozent der deutschen Beamten sind für die Länder tätig. Auch bei den Gemeinden ist die Lage nicht ganz so dramatisch, da sie zum Teil kapitalgedeckte Systeme eingeführt haben. Das Problem der Beamtenversorgung belastet vor allem die Länderhaushalte.

Sind die Länder auf die drohenden Lasten denn genügend vorbereitet?

Überhaupt nicht, da ist einiges zu tun. In der gesetzlichen Rentenversicherung hat es bereits Reformen gegeben, die aber erst langsam und viel zu zaghaft auf die Beamten übertragen werden. Der Nachhaltigkeitsfaktor beispielsweise, die größte Kürzung der gesetzlichen Rente, wird bisher überhaupt nicht auf die Pensionen angewendet. Und bei der Rente mit 67 wagen es erst wenige Länder, sie auf die Beamtenversorgung zu übertragen. Hier muss noch viel geschehen: Auch Beamte müssen künftig länger arbeiten – und dafür im Ruhestand weniger bekommen.

Unterschätzt die Politik das demografische Problem?

Das ist ja das Erstaunliche: Dort, wo der Druck am größten ist, wird am wenigsten darüber diskutiert. Das demografische Problem ist bei der Beamtenversorgung deutlich größer als in der gesetzlichen Rentenversicherung, und vor allem kommt es schneller. Bei den Beamten haben wir einen doppelten Alterungseffekt. Durch die Einstellungswelle der Sechzigerjahre werden gerade um das Jahr 2020 herum viele Beamte in Pension gehen. Außerdem gibt es noch ein anderes Problem: Beamte leben länger.

Ach ja?

Manche Studien sprechen von zwei Jahren, andere von drei Jahren mehr Lebenserwartung.

Wir wagen kaum zu fragen: Doch nicht etwa, weil Beamte weniger arbeiten?

Das ist Quatsch. Generell gilt, dass Akademiker nun einmal länger leben. Und da das Bildungsbürgertum bei den Beamten überproportional vertreten ist, leben auch die Beamten länger.

Wäre es dann angemessen, die Beamten würden länger arbeiten als alle anderen?

Schon in der gesetzlichen Versicherung wird das Renteneintrittsalter ja schrittweise auf 67 erhöht. Da das demografische Problem bei den Beamten aber viel größer ist, müsste man das Renteneintrittsalter sogar auf 68 Jahre anheben, wollte man die gleiche Wirkung erzielen.

Und was passiert, wenn die Politik nicht bald etwas unternimmt?

Dann werden die Länder ihre finanzielle Handlungsfähigkeit verlieren. Das Geld, das wir für ehemalige Beamte ausgeben, kann nicht für Bildung, Infrastruktur oder für andere Landesaufgaben ausgegeben werden. Deshalb müssen die Länderhaushalte wieder auf eine solide Grundlage gestellt werden.

Wie kann es überhaupt sein, dass die Finanzminister die Pensionen in ihrer Haushaltsplanung einfach ignorieren?

In den meisten Bundesländern herrscht eine kameralistische Attitüde. Die Länder verbuchen jährlich, was reinkommt und was rausgeht, rechnen also wie ein Minderkaufmann. Verbindliche Leistungsversprechungen für die Zukunft, wie es Beamtenpensionen ja sind, werden dabei nicht oder nicht hinreichend erfasst. Der Staat bildet auch keine Rückstellungen. Und genau das macht das Problem so dramatisch.

Von Privilegien profitieren derzeit 1,7 Millionen Beamte – vom Polizisten bis zum Hochschulprofessor. Wann ist diese Alimentierung überhaupt angemessen?

Überall da, wo der Staat hoheitlich agiert und Missbrauch absolut vermieden werden muss, ist das Berufsbeamtentum gerechtfertigt. Bei Polizisten und Richtern ist das etwa der Fall. Warum allerdings Lehrer und Hochschulprofessoren verbeamtet sein müssen, entzieht sich jeder Rationalität. Bei mindestens der Hälfte der heutigen Beamten gibt es keinen Grund für das Berufsbeamtentum.

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