
WirtschaftsWoche: Professor Homburg, helfen Sie uns weiter. Was genau ist ein Konjunkturprogramm?
Homburg: Ich würde es so definieren: Ein Maßnahmenpaket, das die Staatsausgaben erhöht, die Einnahmen unverändert lässt – und nichts bringt außer höheren Schulden.
In der Politik sieht man das anders. Derzeit gibt es einen bunten Strauß von Vorschlägen, wie die lahmende Konjunktur angekurbelt werden könnte. Welche davon machen Sinn?
Gar keine.
Wie bitte? Sie sind also auch gegen Steuererleichterungen für die Bürger?
Es gibt Einzelmaßnahmen, die prinzipiell sinnvoll sind – etwa die Bekämpfung der kalten Progression im Steuerrecht. Sie müssten mit Ausgabenkürzungen an anderer Stelle einhergehen. Das zentrale Problem der großen Koalition besteht aber darin, dass sie zu Ausgabenkürzungen nicht bereit ist. Jetzt sollen die Ausgaben sogar noch erhöht werden.
Ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, nun noch zu erreichen?
Das glaube ich nicht. Die Finanzkrise und das Rettungspaket der Bundesregierung haben offenbar eine enthemmende Wirkung auf die Politik. Jetzt darf jeder alles fordern. Angesichts der schwachen Wachstumsaussichten ist sogar zu befürchten, dass wir in den nächsten Jahren wieder gegen den Europäischen Stabilitätspakt verstoßen. Es wird Finanzminister Peer Steinbrück wohl wie Hans Eichel gehen. Der wollte auch einen ausgeglichenen Haushalt erreichen – spätestens 2006.
Kommt die Krise der Politik vielleicht gelegen?
Absolut. Die Politik kann im Wahljahr mit neuen Wohltaten auf Wählerfang gehen und dies als Konjunkturstützung bemänteln. Wir werden in Deutschland wie im Rest der Welt eine neue Phase des Staatsinterventionismus erleben – auch jenseits des Bankensektors. Der schöne Begriff Konjunkturprogramm verdeckt dabei die Tatsache, dass schnelle Reaktionen des Staates technisch unmöglich ist.
Was meinen Sie damit?
Ein Rechtsstaat ist an Verfahren gebunden und kann nicht hopplahopp die Milliarden auf den Markt werfen. Es existieren zum Beispiel keine Blanko-Baugenehmigungen und Ausführungsplanungen, sodass der Bund morgen die Handwerker für neue Straßen, Brücken und Gebäude bestellen könnte. Bauprojekte brauchen eine Vorbereitungszeit von Jahren. Dann ist die Konjunkturdelle längst vorbei.
Im Gespräch sind auch Hilfen für die kriselnde Automobilindustrie. Was halten Sie davon?
Sektorspezifische Staatshilfen für Autos, Kühlschränke und andere schöne Dinge sind ökonomisch noch weit schädlicher als gesamtwirtschaftliche Programme, weil sie notwendige Anpassungsprozesse verschleppen. Das beste Beispiel dafür ist die Baubranche, die in den Neunzigerjahren einen künstlichen Wiedervereinigungsboom erlebte – und danach in ein Tal der Tränen fiel.
Erhält das Rettungspaket der Regierung für die Banken von Ihnen bessere Noten?
Nein. Ich halte die herrschende Meinung für pure Hysterie. In Medien, Wissenschaft und Politik sind gefühlte 99 Prozent für das Rettungspaket. Ich gehöre zum restlichen Prozent.
Sie würden lieber einen Dominoeffekt riskieren, der das gesamte Bankensystem bedroht?
Ein Ammenmärchen, denn Dominoeffekte hat es selbst 1929 nicht gegeben! Wir konzentrieren uns zu sehr auf die Frage, wie sich kurzfristig Schmerzen vermeiden lassen. Außer Betracht bleiben die langfristigen Anreizeffekte der Staatseingriffe. Meiner Meinung nach hätte man die Hypo Real Estate in die Insolvenz gehen lassen sollen. Dann bekäme Ex-Vorstandschef Funke nicht monatlich 42.000 Euro und eine ordentliche Rente obendrauf – sondern gar nichts. Bei Insolvenz gibt es keinen goldenen Fallschirm. Diese für den Mittelstand nach wie vor geltende Regel wäre auch für den Banksektor ordnungspolitisch richtig. Stattdessen hilft Vater Staat – und schafft Fehlanreize, die notwendig zu weiteren Interventionen führen.