Der Bund will bei Firmenkäufen künftig schon bei einer ausländischen Beteiligung von 15 Prozent eingreifen können, berichtet die „Welt“. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt bereits vor. Die Änderung der Außenwirtschaftsordnung könnte noch in diesem Jahr in Kraft treten. Das würde eine deutliche Verschärfung der Kontrollen bedeuten.
Bisher darf die Bundesregierung bei möglichen Übernahmen von sicherheitsrelevanten Unternehmen oder kritischen Infrastrukturen durch Investoren außerhalb der EU erst einen Eingriff prüfen, wenn sie mindestens 25 Prozent der Unternehmensanteile kaufen wollen.
„Diese Schwelle wollen wir jetzt absenken, um in sensiblen Wirtschaftsbereichen mehr Erwerbsfälle überprüfen zu können“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gegenüber der Zeitung.
Die Bundesregierung will so Technologietransfers ins Ausland verhindern. In den vergangenen Jahren fielen Investoren aus China immer wieder mit kontroversen Übernahmen und Übernahmeversuchen aus – vom Roboterhersteller Kuka bis hin zur geplatzten Leifeld-Übernahme. Die WirtschaftsWoche hat mehrere Ökonomen gefragt, was sie von dieser Maßnahme, die sich insbesondere gegen chinesische Investoren richtet, halten. Ihr Urteil fällt deutlich aus:
„Die 15-Prozent-Schwelle ist letztlich recht arbiträr“, sagt Gabriel Felbermayr vom ifo-Institut aus München. Er befürchtet, dass jede Transaktion politisch aus beliebigen Gründen verhindert werden könnte. Was als sicherheitspolitische Bedenken gewertet werde und was nicht, sei sehr dehnbar. Aus taktischen Gründen könnte eine solche Verschärfung zwar sinnvoll sein, sagt Felbermayr, um Druck auf China aufzubauen. „Das Ziel muss sein, dass China die Investitionsbarrieren abbaut.“ Trotzdem: „Verschärfte Kontrollen erschweren ausländische Investitionen.“
Holger Görg vom IfW Kiel sieht den Vorstoß der Bundesregierung ebenfalls kritisch. „Deutschland erscheint generell als kein attraktiver Standort für ausländische Direktinvestitionen“, sagt er. Nur knapp drei Prozent der weltweiten Direktinvestitionen gingen im vergangenen Jahr nach Deutschland, rund 931 Milliarden US-Dollar. Kleinere Volkswirtschaften wie die Niederlande oder Kanada erhielten ähnliche Summen, Großbritannien und die USA mit fünf beziehungsweise 25 Prozent sogar deutlich mehr. „Was Deutschland gewiss nicht braucht, sind weitere Maßnahmen, die Protektionismus und zusätzliche Bürokratie signalisieren und dadurch ausländische Investoren abschrecken.“
Zudem hält er die Befürchtung vor Technologietransfers für übertrieben. „Im Übrigen ist dieser „Technologietransfer“ – den es auch, zum Beispiel, bei Investitionen deutscher Unternehmen in den USA oder anderen Ländern gibt – ein Aspekt der internationalen Verflechtungen der Wirtschaft, von denen gerade Deutschland in den letzten Jahrzehnten profitiert hat.“
Tomaso Duso, Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte beim diw, befürchtet, Deutschland könne für ausländische Geldgeber weniger interessant werden, was wiederum „der Konkurrenzfähigkeit Deutschlands schaden“ könnte. „Deutschland hat enorm von offenen internationalen Märkten profitiert und deutsche Unternehmen sind in vielen Bereich wahrscheinlich auch deswegen so exzellent aufgestellt“, sagt er. „Diese Offenheit zu beschränken kann negative Folgen haben.“
Den Nutzen der Maßnahme schätzt er dagegen nicht allzu hoch ein. So sollte bedacht werden, „dass bei einigen der chinesischen Übernahmen in Deutschland inländische oder europäische Interessenten fehlten oder nur geringere Summen aufbringen konnten oder wollten. Das wird sich durch die Absenkung der Prüfgrenze nicht ändern.“
Zudem gibt er zu bedenken, dass der Abfluss von technischem Wissen ins Ausland auch trotz solcher Maßnahmen weiterlaufen könnte. „Gerade China oder Russland verfügen über ausreichend Kapazitäten in der Wirtschaftsspionage. Die Gefahr, dass Wissen auf die ein oder andere Weise dennoch abgeschöpft wird, wird mit einem solchen Gesetz kaum unterbunden.“
Ähnlich sieht das auch Hermann Meller, Anwalt und China-Experte der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons: „Für die deutschen Unternehmen würde das bedeuten, dass mit dem Wegfall vieler ausländischer Investoren deutlich weniger Kapital zur Finanzierung nötiger Investitionen zur Verfügung steht. Und dass die deutsche Wirtschaft wie kaum eine andere auf Kapital aus dem Ausland angewiesen ist, weiß man sicher auch im Bundesministerium für Wirtschaft.“
Auch dass die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) das richtige Instrument für das angestrebte Vorhaben ist, bezweifelt Meller: „Den Abfluss von technischem Wissen und Patenten kann man mit der AWV kaum verhindern, denn dafür ist die AWV nicht da. Die AWV erlaubt eine Untersagung nur, wenn der Unternehmenserwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.“