
Anton Hofreiter hat kürzlich ein Steak in einem Restaurant in Berlin-Mitte verspeist, es war wohl beim gemeinsamen Essen mit Peter Altmaier. Der Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag legt Wert darauf, dass das Rind vorher artgerecht auf der Weide gehalten worden sei.
Der Chef des Bundeskanzleramtes, CDU-Mann Altmaier, bestätigt: „Ich habe schon manches Filet mit Toni Hofreiter verspeist.“ Am Dienstag will er Hofreiters neues Buch „Fleischfabrik Deutschland“ vorstellen, eine Abrechnung mit der Massentierhaltung. Altmaier, der bekannt dafür ist, mit allen und jedem zu reden im politischen Berlin, legt Wert darauf, dass sein Auftritt kein Vorgriff auf eine schwarz-grüne Koalition im Bund sei. Er hätte auch eine Einladung von SPD-Chef Sigmar Gabriel oder FDP-Chef Christian Lindner angenommen.
Die beiden Männer auf dem Berliner Podium kennen sich schon länger und duzen sich. Altmaier lobt, das Buch greife wichtige Themen auf, „über die wir in den nächsten Wochen und Monaten werden diskutieren müssen“. Milchkrise, das Pflanzenschutzmittel Glyphosat, die Produktion in immer größeren landwirtschaftlichen Betrieben. Es gebe einige Gemeinsamkeiten zwischen ihm, dem CDU-Politiker und dem Fraktionschef der Ökopartei. Altmaier deutet auf den eigenen Bauchumfang und den etwas geringeren von Hofreiter.





Nach dem gemütlichen Einstieg des Unionsmanns wird Hofreiter schärfer. Er geißelt die Tierhaltung auf deutschen Höfen. Unmengen an Tierfutter werde importiert, oft aus Soja, das in Ländern wie Brasilien unter fragwürdigen Bedingungen angebaut werde. Die Tiere in den Ställen ließen jedes Jahr so viel Gülle ab, dass ein damit beladener Güterzug einmal um die Erde reiche. Ein geschlachtetes Huhn bringe dem Bauern nur noch zwei Cent Gewinn. „Die Menschen essen seit Jahren weniger Fleisch in Deutschland, wir produzieren aber immer mehr.“ Die subventionierte Ware werde dann zum Beispiel nach Westafrika exportiert und ruiniere die Viehzüchter dort.
Verbraucher wollen Bullerbü - und kaufen billig
Hofreiter schlägt den ganz großen Bogen, er verknüpft die industrielle Landwirtschaft mit der Handelspolitik und dem Schwund der ökologischen Vielfalt. Verloren geht dabei etwas die Rolle, die Landwirte und Verbraucher in Deutschland spielen. Hier die Bauern, die stetig produktiver werden müssen, die weniger und größere Höfe bewirtschaften, dort die Privatleute, die Bullerbü-Bauernhöfe verlangen, vor allem aber billig kaufen.





Der Obergrüne weiß, dass seinen Wählern das Essen und die Natur am Herzen liegen. Dass Landwirtschaft und Ernährung das große Thema für die Ökopartei sein könnten, das früher die Energiewende war. Doch er darf seine Sympathisanten nicht gängeln, der Veggie Day, der Kantinentag ohne Fleisch auf dem Menü war im letzten Wahlkampf ein Eigentor. Und mit den Bauern sollte er es sich auch nicht verscherzen, schließlich will er sie auf seine Seite ziehen.
Also lässt Hofreiter sein Buchpremieren-Publikum etwas ratlos zurück. „Wir dürfen den einzelnen Landwirt nicht alleine lassen“, sagt er nur. Die Bauern hätten keine Schuld am Irrsinn. „Es ist auch nicht verboten, bei Aldi ein billiges Schweineschnitzel zu kaufen. Natürlich ist Bio wünschenswert.“
Bloß keine Verbraucherschelte. Und wer ist für den Wandel zuständig? „Das ist Aufgabe der Politik“, bleibt Hofreiter recht allgemein. Im Buch fordert er zum Beispiel eine Kennzeichnung von Fleisch wie bei Eiern, damit Massentierhaltung sichtbar werde. Außerdem will er kleinere Ställe erzwingen und einschränken, wieviel Gülle auf Feldern ausgebracht werden darf.
Altmaier merkt süffisant von der Seite an, eigentlich sei das gar keine Handlungsanleitung für Deutschland, dieses Buch. Es gehe gleich um den ganzen Planeten. Und wäre er Deutschlehrer, dann würde er sagen: „Toller Titel, falsches Buch oder umgekehrt: tolles Buch, falscher Titel.“ Der beleibte CDU-Mann versucht immer wieder, das Publikum auf seine Seite zu ziehen, auf die des liberalen Genussmenschen, der aber moralische Maßstäbe an seine Nahrung stellt.
Er habe noch nie ein Problem mit Wörtern wie Fleisch- oder Wurstfabrik gehabt, sagt Altmaier noch. Er esse eben gern. Eine seiner schönen Kindheitserinnerungen sei, dass er mit seiner Mutter zum Metzger einkaufen ging. „Dort habe ich immer ein Stück Fleischwurst bekommen. Ganz umsonst und zwei Finger dick.“